Seelsorger am Flughafen – auch für zwangsweise Reisende

An zehn deutschen Flughäfen arbeiten evangelische Flughafenseelsorger

22. Oktober 2007


Zielorientiert bugsieren Menschen ihr Gepäck durch Absperrungen und Menschenmengen: Alleinreisende Geschäftsleute, Familien auf dem Weg in den Urlaub, Senioren voller Hoffnung auf Erholung – Ankommende, Abreisende schwirren durcheinander. Die einen brauchen noch schnell ein Mittel gegen Flugangst, die anderen werfen die letzten Urlaubspostkarten ein. „Hast Du auch das Geld dabei?“ – „Wo ist bloß der Flugschein geblieben?“ – „Warum ist der Koffer schon wieder zu schwer?“. Zwischen all dem Stimmengewirr das Angebot für Seelsorge. Die Kirchen sind auch am Flughafen präsent und bieten Hilfe, Unterstützung, Rat und auch Andacht an. Was auf den ersten Blick schwierig scheint, ist aber an manchem Flughafen möglich: An zehn deutschen Airports stehen evangelische Flughafenseelsorger für Reisende und Flughafenangestellte bereit. Sie suchen den Kontakt zu denen, die für Fluggesellschaften arbeiten. Feiern mit ihnen Gottesdienste in den Flughafenkapellen. Sie erteilen kirchlichen Reisegruppen auf Wunsch vor dem Abflug einen Reisesegen. Sie kümmern sich um Menschen, die aus freiem Willen eine Flugreise antreten. Und um die, die vom deutschen Staat abgeschoben werden.

Pastor Holger Birth, Sprecher der Konferenz evangelischer Flughafenseelsorger, arbeitet am Flughafen Hannover-Langenhagen. Er berichtete vom Erfahrungsaustausch auf der 10. Konferenz für evangelische Flughafenseelsorger. Wo Abschiebung zum „täglichen Geschäft“ gehöre, wie auf dem Flughafen Frankfurt (6.035 Fälle im Jahr 2006), aber auch in Düsseldorf und München, seien die Seelsorger direkt mit der Krisensituation der Abzuschiebenden konfrontiert. Oft ständen seine Kollegen der „zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht“ zwiespältig gegenüber. 2006 sind nach Angaben der Bundesregierung 13.060 Menschen auf dem Luftweg abgeschoben worden, ein Fünftel davon von Polizisten begleitet, um etwaigen Widerstand zu verhindern. In drei Fällen habe die Abschiebung nur durch Anwendung körperlicher Gewalt durchgeführt werden können. Dabei gilt auf Grund einer Anordnung des Bundesinnenministeriums: „Keine Abschiebung um jeden Preis!“ Einige Abschiebungen seien wegen massiven Widerstands der Betroffenen aufgeschoben worden.

Schon die Beobachtung der Abschiebeprozedur könne die Situation für die Abzuschiebenden verbessern, und manch praktische Hilfe hätten die Seelsorger schon geben können: Zum Beispiel halfen sie einer Mutter, die keine Babynahrung mehr hatte. Sie statteten abgelehnte Asylbewerber mit Winterkleidung aus, die im Sommer in Abschiebehaft genommen worden waren, oder ermöglichten durch eine kleine finanzielle Unterstützung Telefongespräche mit Angehörigen oder Anwälten. Sprachlich könne man sich oft nicht verständigen, aber auch die Umarmung einer Seelsorgerin habe schon einer abzuschiebenden Frau Trost in ihrer schwierigen Lage gegeben, weiß der Sprecher der Flughafenseelsorger.

Weitere Seelsorger ständen für Gespräche mit den deutschen Beteiligten der Abschiebungen bereit, mit Bundesgrenzschutzbeamten, Flughafenangestellten und Flugzeugbesatzungen. 111 Abschiebungen sind nach Angaben der Bundesregierung im Jahr 2006 abgebrochen worden, weil sich die Fluggesellschaft oder der Flugzeugkapitän weigerten, die Personen, die zur Abschiebung anstanden, zu transportieren. Daher scheint es bei vielen Zeugen von Abschiebungen Gewissenskonflikte zu geben. Ihnen stehen die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter der Flughafenseelsorge zu Gesprächen zur Entlastung zur Verfügung.

Um zur Ruhe zu kommen, empfiehlt der hannoversche Pastor Birth einen Besuch der Flughafenkapelle. In die Kapelle im Flughafen Hannover-Langenhagen, die im Mai 2006 eingeweiht wurde, kommen etwa 1.400 Menschen pro Monat. Bisher gibt es an zehn deutschen Flughäfen solche Andachtsräume. Der erste wurde 1970 in Frankfurt/Main eingerichtet, später folgten München, Stuttgart, Hamburg, Dresden, Düsseldorf, Leipzig-Halle, Berlin-Schönefeld, Münster/Osnabrück und Hannover.

Informationen zur Flughafenseelsorge

Flughafenseelsorge Hannover-Langenhagen