150 Jahre Gemeinde Den Haag

Erinnern - Versöhnen - Wachsen

01. Oktober 2007


Grund zum Feiern und zur Dankbarkeit war in der Evangelischen Gemeinde Den Haag an diesem Wochenende nicht nur, weil Erntedankfest war. Die Gemeinde feierte ihr 150jähriges Bestehen mit einem Festgottesdienst, bei dem Antje Heider-Rottwilm, die Leiterin der Europa-Abteilung im EKD-Kirchenamt die Predigt hielt.

Die zentral liegende alte Kirche ist mit viel Liebe und Tatkraft – und Unterstützung durch den niederländischen Staat, der Gemeindemitglieder und auch der EKD – in den letzten Jahren renoviert worden und erstrahlt pünktlich zum Jubiläum in frischem Glanz. Im Jahr 1857 versammelten sich deutschsprachige Menschen in Den Haag, um mit Hilfe engagierter Niederländer die Deutsche Evangelische Gemeinde im Haag zu gründen. Gleich zu Beginn zählten hochrangige Persönlichkeiten zum Kreis der Gemeinde: Zum Beispiel kam Königin Emma (1858-1934) häufig zum Gottesdienst in „ihrer“ deutschsprachigen Gemeinde. In der Anfangszeit der Gemeinde (1863) liegt auch der Ursprung der Deutschen Schule, damals in einem Anbau an die Kirche untergebracht. In ihre Fußstapfen ist die heute selbstständige „Deutsche Internationale Schule Den Haag“ getreten.

In ihrer Predigt verglich Antje Heider-Rottwilm die Gemeinde mit dem Senfkorn aus dem Gleichnis Jesu: „Wie aus dem Senfkorn ein Strauch wächst, so ist aus den mutigen Anfängen vor 150 Jahren eine eindrucksvolle Gemeinde gewachsen.“

Und wie die Psalmlesung für den Sonntag es beschreibt: „‚Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen’ (Ps 84, 4-5) – tief durchatmend und dankbar hat das wohl manche und mancher in den letzten 150 Jahren gespürt, als sie hier ankamen und willkommen geheißen wurden: im Gottesdienst in der Muttersprache, im Chor beim Einstudieren der vertrauten Lieder, im Gebetstreff, in dem Freud und Leid vor Gott gebracht werden kann, im Literaturkreis und Ökumenischen Hauskreis, in der Frauengruppe, in der Kinderkirche, in der Eltern-Kind-Gruppe, im Konfirmandenunterricht, in vielen anderen Begegnungsmöglichkeiten, in der Sorge für andere – und nicht zuletzt in der offenen Kirche zu Stille und Gebet im Schutze des wunderschönen Kirchenraumes. Überall da war und ist etwas von diesem Geschenk Gottes, seinem Reich, das sich ausbreitet wie ein Senfstrauch aus einem winzigen Samenkorn, spürbar – und spürbar, dass das alles eben nicht machbar ist, über  alles Engagement auch des Kirchenvorstandes und der Pfarrer und Pfarrerinnen aller Generationen hinaus.“

Aber auch Konflikte gehören zur Geschichte dieser Gemeinde: Auseinandersetzungen über die verschiedenen Vorstellungen, wie das Reich Gottes zu bauen sei. „Andere Konflikte und schwere Zeiten hingen mit der zeitgeschichtlichen Situation zusammen, vor allem mit den menschenverachtenden Auswirkungen des deutschen Faschismus auch hier in den Niederlanden und in Den Haag. Wir erinnern uns dankbar der mutigen Arbeit von Pfarrer Kaetzke und vieler Menschen des damaligen Kirchenvorstandes. Und freuen uns, dass seine Familie heute hier unter uns ist.“ Pfarrer Paul Kaetzke, der von 1936 bis 1966 Pfarrer der Gemeinde war, hatte mit Kirchenvorstandsmitgliedern Juden und andere Flüchtlinge versteckt und ihnen weiter geholfen.

„‚Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung’“ zitierte Antje Heider-Rottwilm. „Diese Weisheit aus der jüdischen Mystik ist im Zusammenhang der Erinnerung an die durch das faschistische Deutschland begangenen Untaten für viele Menschen wichtig geworden. Oder umgekehrt, wie der spanische Philosoph George Santayana sagt: ‚Die sich des Vergangenen nicht erinnern, sind dazu verurteilt, es noch einmal zu erleben.’“

Deutsche Evangelische Gemeinde im Haag

Predigt von Oberkirchenrätin Antje Heider-Rottwilm im Festgottesdienst in den Haag