Vertrag mit US-Kirche unterzeichnet

Begegnung mit der Vielfalt amerikanischer Evangelikaler

28. September 2007


In unbeschreiblichem Rot mit einem Drang zu Orange senkt sich die Sonne über der architektonisch beeindruckenden Skyline zwischen Searstower und Hancock-Hochhaus. Die Hochhäuser der „windy city“ sind in den warmen Ton der untergehenden Sonne getaucht. Am Stadtrand von Chicago sitzt die Delegation des Rates der EKD im elften Stock des Lutheran Centers, des Sitzes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELCA). Die große Fensterfront des Sitzungszimmers gibt den Blick auf „downtown“ der Millionenstadt in Illinois frei, doch die neun Delegierten aus Deutschland schauen höchstens kurz aus dem Fenster – sie blicken konzentriert zurück auf die zehntägige Reise durch die USA mit den Stationen Washington, New York und eben Chicago.

Weder das durch die Natur und menschliche Baukunst entstehende Schauspiel noch die scheinbar knapp am Fenster vorbei fliegenden großen Flugzeuge, die in O’Hare starten und landen, lenken die Vertreter der evangelischen Kirchen aus Deutschland ab. Sie erinnern sich an die Besuche in den deutschsprachigen evangelischen Kirchengemeinden in Washington und New York, an die Gespräche mit der lutherischen und der unierten Kirche in den USA, an die Treffen mit  Vertretern anderer – in der USA zahlreichen – christlichen Denominationen und kirchlichen Zusammenschlüsse und an die Diskussionen über die Lage im Nahen Osten und im Sudan, über die Menschenrechte, die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen und die Herausforderungen durch den Klimawechsel.

Höhepunkt der Reise – darin ist sich die Delegationsgruppe einig – war die Unterzeichnung eines Vertrages zwischen de ELCA und der EKD. In einem Gottesdienst haben der Vorsitzende Bischof der ELCA, Mark S. Hanson, der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, und der Auslandsbischof der EKD, Martin Schindehütte, die Vereinbarung unterschrieben. Dem Akt des Unterschreibens war eine Tauferinnerung vorausgegangen. Der amerikanische Bischof erinnerte an das einigende Zeichen der einen Taufe. Der deutsche Ratsvorsitzende betonte in seiner Predigt, dass die Vertragsunterzeichnung kein Endpunkt unter die seit 1991 bestehende Partnerschaft sei, sondern der Aufforderung entspreche, die auch an Elia gerichtet wurde: „Steg auf und iss, denn der Weg ist weit...“

In dem Vertrag wird die gemeinsamen Glaubensgrundlage ausgesprochen und anschließend geregelt, dass die Kirchen in den USA und in Deutschland gegenseitig ihre Mitglieder, so weit sie sich auf Dauer oder auf Zeit im jeweils anderen Land aufhalten, pastoral begleiten, betreuen und versorgen. Dazu sollen die anderssprachigen Kirchengemeinden im jeweiligen Land den engen Kontakt mit der jeweilig zuständigen Gliedkirche oder Diözese suchen und pflegen. Geregelt wird außerdem, dass EKD und ELCA in Wittenberg, der Ursprungsstätte der Reformation, eng kooperieren wollen.

„Steh auf und iss“, wurde Elia aufgefordert. Auf einen gemeinsamen weiteren Weg wollen sich auch ELCA und EKD einlassen. Um sich für diesen Weg zu stärken, haben die Vertragspartner im Anschluss an die Unterzeichnung miteinander Abendmahl gefeiert: Zeichen der 1991 bestehenden Verbundenheit und nun bekräftigten Kanzelgemeinschaft der beiden Kirchen.

„... der Weg ist weit“, lautet die Aufforderung an Elia weiter. Um auf dem gemeinsamen Weg weiter zu gehen, wurden nach dem Gottesdienst die ersten weiteren Schritte besprochen. So soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet werden, wie in der Lutherstadt Wittenberg die Präsenz der amerikanischen Lutheraner als auch des Lutherischen Weltbundes (LWB) in den Aktivitäten der EKD zusammen mit der dortigen Landeskirche - Kirche der Kirchenprovinz Sachsen - und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) gewährleistet und gestaltet werden kann.

Im Lutherisch-Theologischen Seminar, einer theologischen Hochschule in Chicago, erinnerte der Ratsvorsitzende in einer Vorlesung an die Wurzeln der Reformation und deren Zusammenhang mit der Leuenberger Kirchengemeinschaft. Die Leuenberger Kirchengemeinschaft hat im europäischen und südamerikanischen Umfeld in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geholfen, die konfessionellen Unterschiede zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen gerade auch beim Abendmahlsverständnis theologisch zu überwinden. Nach Ansicht von Wolfgang Huber könnte diese Kirchengemeinschaft auch ein Modell sein, der in vielerlei Ausprägungen aufgesplitterten evangelischen Kirchen in den USA zu begegnen und unter Lutheranern, Episkopalen, Reformierten, Unierten, Presbyterianern, Gemeinsames zu entdecken.

In Gesprächen mit Vertretern evangelikaler Institutionen und Einrichtungen sowie durch Informationen über die in USA sehr stark gewachsenen Bewegung evangelikaler und wiedergeborener Christen wurde den Delegierten aus Deutschland deutlich, dass „die Evangelikalen“ in Amerika kein so monolithischer Block sind, wie es aus Europa manchmal den Eindruck hat. Die unterschiedlichen und sich manchmal fremd gegenüberstehenden kirchlichen Organisationen von dem viele traditionelle evangelische und die orthodoxe Kirchen der USA vereinigenden Nationalen Kirchenrat (NCCC) über die nationale Vereinigung der Evangelikalen (NEA) bis zu der neu entstandenen, sowohl evangelikale Kirchen als auch die römisch-katholische Kirche einschließenden Aktion „Christian Churches Together“ (CCT) und die in diesen unterschiedlichen Verbänden organisierten Kirchen sind so vielfältig, dass sie für die Mitglieder der deutschen Delegation kaum zu überblicken sind. Dabei spiegeln auch die evangelikalen Kirchen und Kirchengemeinden eine große Vielfalt mit unterschiedlichsten Schwerpunkten und stark divergierendem Engagement wider.

Die Sonne war längst hinter den Hochhäusern Chicagos verschwunden – sozusagen auf dem Weg nach Europa –, als die Delegation des Rates der EKD zum Flughafen aufgebrochen ist, um mit den Erfahrungen von zehn Tagen USA und auch mit neuen Aufgaben nach Deutschland zurück zu kehren.

Der Vertrag zwischen EKD und ELCA im Wortlaut