Immobilien müssen nicht unbeweglich machen

Gemeinsam finanzierter Gemeinderaum eingeweiht

19. September 2007


Grillen zirpen unüberhörbar. Lauter als in Deutschland, mutmaßen manche von denen, die aus Deutschland nach Washington gereist sind. Aufgefallen sind ihnen zudem fünf Rehe, die ungestört in jenem Vorort von Washington durch die Vorgärten gezogen sind. „Die Rehe schießt hier niemand,“ weiß der deutsche Pfarrer in Washington, Martin Mencke, auch in den USA wird keiner in einem Wohngebiet auf die Jagd gehen. So kann sich das Wild ungestört vermehren – zum Fressen finden sie in den großen und gepflegten Vorgärten genug.

Doch Rehe und Grillen interessieren den deutschen Pfarrer an diesem Abend wenig. Er erwartet eine Delegation des Rates der EKD mit dessen Vorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber. Mit einem Fest soll der neue Gemeinderaum der German Lutheran Church in Washington eröffnet werden.

Vor einigen Jahren hat sich der Kirchengemeinderat der deutschen Gemeinde in der amerikanischen Hauptstadt entschlossen, das sanierungsbedürftige Pfarrhaus in Arlington mit dem Pfarrhaus des deutschen Militärseelsorgers an der Kendale Road zu tauschen. Da der Militärseelsorger mit dem militärischen Hauptquartier ein Stück weiter nach Westen gezogen war, benötigte dieser sein Washingtoner Pfarrhaus nicht mehr. Zudem lag das neue Pfarrhaus für die verstreut um Washington lebenden deutschen Gemeindeglieder zentraler. Damit verlor aber die Gemeinde, die sonntags ihre Gottesdienste zur Miete in einer amerikanischen lutherischen Kirche feiert, ihren Gemeinderaum. Für Kindergottesdienste, Konfirmandenunterricht, Frauenforum, philosophischem Gesprächskreis und die Sitzungen des Kirchengemeinderates sollte an das Pfarrhaus ein Raum angebaut werden. Spendenaufrufe, Fundraisingaktionen und die Unterstützung der EKD machten es möglich, dass nun der lichte Raum mit einer großen Fensterfront eingeweiht werden konnte.

Dabei eröffnen die großen Fenster einen weiteren Raum, wird doch durch sie abends auch noch die Wiese vor dem Gemeinderaum beleuchtet. Diese Erfahrung machten die zahlreichen Gemeindeglieder, als sie zur Eröffnung kamen, mussten sie doch voll freudiger Erwartung vor dem Raum ausharren, bis der Ratsvorsitzende das Band durchschnitten hatte und damit den Begegnungsraum frei gab.

In Deutschland, so erinnerte Martin Mencke, seien für Kirchengemeinden Immobilien manchmal eine Last. Doch dass Immobilien nicht immobil - unbeweglich – machen müssten, sei bei der Washingtoner Auslandsgemeinde zu erleben, erwiderte Wolfgang Huber. Zusammengesetzt aus Deutschen, die dauerhaft in Washington leben, und Deutschen, die auf Zeit aus beruflichen Gründen in diese Gegend entsandt sind, bietet die Gemeinde das lebendige Bild einer Kirchengemeinde, wie er es sich wünsche. Die Gemeinde in Washington könne auch Vorbild für manche Gemeinde in Deutschland sein. Er hoffe, so fuhr der Ratsvorsitzende fort, dass diejenigen, die aus Washington zurückkehren, ihre Erfahrungen von dort am neuen Ort, sei es Berlin, Frankfurt, München oder anderswo, einbringen und sich nicht schrecken lassen, wenn in manchen alteingesessenen Kirchengemeinden das eine oder andere anders gehe.