Hermann Barth: Religionsfreiheit und Mission

Nach der Freilassung der 19 überlebenden südkoreanischen Christen in Afghanistan

12. September 2007


Dass wir alles wissen über die Hintergründe der Geiselnahme einer Gruppe von 21 südkoreanischen Christen und die Bedingungen für die Freilassung der 19 Überlebenden, wird niemand behaupten. Auch ob wir genug wissen, um uns ein zutreffendes Bild zu machen, bleibt unsicher. Aber es gibt Situationen, da kann man nicht warten, bis sich alles geklärt hat. Um sinnvoll zu reagieren, muss man sich wenigstens ein vorläufiges Urteil bilden.

Es ist davon auszugehen, dass die Gruppe der südkoreanischen Christen humanitäre Hilfe leisten und dabei auch den Glauben an Jesus Christus bezeugen wollte. Für die Geiselnehmer scheinen drei Motive maßgeblich gewesen zu sein: die südkoreanische Regierung zum Abzug ihrer Soldaten zu nötigen, sie um Geld zu erpressen und die missionarische Tätigkeit der Gruppe zu unterbinden. In den Verhandlungen zwischen den Geiselnehmern und den Vertretern Südkoreas ist für die Freilassung der Geiseln ein Preis bezahlt worden, vermutlich durch Erfüllung aller drei Bedingungen.

Wie Regierungen mit einer terroristischen Erpressung umgehen sollen, ist eine der bedrängendsten Fragen, denen Menschen in politischer Verantwortung ausgesetzt sein können. In der Regel stehen politische Forderungen im Vordergrund. Eher selten ging es bisher um die christliche Missionsarbeit. Das war im jüngsten Fall anders. Besonders beunruhigend ist dabei die Meldung, die südkoreanische Regierung habe im Gegenzug für die Freilassung der Geiseln zugesagt, die Tätigkeit christlicher Missionare in Afghanistan zu verhindern. Ob an den Meldungen etwas dran ist, kann einstweilen dahingestellt bleiben. Es geht grundsätzlich um die Frage: Wäre eine Regierung berechtigt, wäre sie gut beraten, entsprechenden Forderungen nachzukommen?

Das politische und zumal das staatliche Handeln ist verpflichtet, das Recht nicht nur einzuhalten, sondern es auch durchzusetzen. Diese Pflicht gilt nicht nur im Umgang mit Staaten und Regierungen. Sie gilt erst recht gegenüber Kriminellen und Terroristen - so schwer und gefahrvoll das ist. Unter dem Schutz des Rechtes steht auch die missionarische Tätigkeit. Denn das Recht auf Religionsfreiheit schließt die Mission ein. Das ergibt sich zunächst aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, in rechtsverbindlicher Form sodann aus dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte von 1966. In Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung heißt es: "Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Das Recht umfasst die Freiheit, seine Religion ... zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion ... öffentlich oder privat ... zu bekunden." Wer Christen - wo auch immer - empfehlen würde, möglichst unauffällig ihre Gottesdienste abzuhalten und nicht durch missionarische Aktivitäten zu "provozieren", würde nicht nur die missionarische Dimension des christlichen Glaubens, sondern auch einen wesentlichen Kern des Rechts auf Religionsfreiheit verfehlen. Sollte die südkoreanische Regierung den Erpressern tatsächlich zugesichert haben, keine Christen mit missionarischen Absichten mehr nach Afghanistan reisen zu lassen, so würde sie diese vom Anspruch der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte freistellen. Das wäre verhängnisvoll. Auch gegenüber Ländern, die aus einer anderen Kultur und Tradition kommen als Westeuropa und Nordamerika, dürfen die menschenrechtlichen Standards nicht ermäßigt werden.

Eine andere Frage ist es, ob das heutige Afghanistan - wo nicht einmal mit Hilfe des Einsatzes bestens ausgerüsteter und ausgebildeter Soldaten der Schutz vor rechtloser Gewalt gewährleistet werden kann - der richtige und sinnvolle Ort für missionarische Aktivitäten ist. Jeder, der sich auf diesen gefahrvollen Weg zu machen gedenkt, prüfe, ob er es vor der Vernunft verantworten kann und ob dies Gottes Auftrag für ihn ist. In jedem Fall steht fest: Es gibt ein Recht dazu, und dieses Recht ist nicht verhandelbar.