Wenn Kinder Kirchen erkunden

Von Drachen, Tod und Teufel

28. August 2007


Die Schule hat in manchen Bundesländern schon begonnen – in anderen werden die ersten Schultage in den nächsten Wochen den neuen Rhythmus von Lernen, Erfahren, Erleben eröffnen. Mit zur all-schul-jährlichen Planung gehört auch der Schulausflug. Wie wäre es mal mit einer Kirchenbesichtigung? „Muss nicht sein,“ stöhnen Schüler und manche Eltern gleichermaßen auf und erwarten Langeweile pur. "Das muss nicht sein", sagt der württembergische Pfarrer Johannes Veller. Der Theologe veranstaltet ganz besondere Kirchenführungen, die für Kinder voller Spannung sind.

In den letzten Bankreihen in der Kirche St. Michael in Schwäbisch Hall sitzen die Schüler einer Grundschule in Eschenau, in der Reihe vor ihnen steht Johannes Veller und erklärt, worum es bei der Kirchenerkundungstour an diesem Tag geht: Um den Heiligen Michael, um Drachen, Teufel, Tod und Hölle. Und wo diese Begriffe in der evangelischen Kirche zu entdecken sind, dürfen die Kinder erst mal auf eigene Faust erkunden. "Zehn Minuten habt ihr Zeit, ihr müsst also nicht rennen", sagt Veller und schon sind die Kinder unterwegs.

Sie gucken in den Raum der Stille, bleiben vor dem großen Altarbild stehen und bestaunen die mittelalterliche Gebeinkammer im Chor der Kirche, in der unter Glas Knochen aufbewahrt werden. "Ih", sagt eines der Mädchen und wendet sich ab. "So siehst du auch mal aus", erwidert ein Junge. Das Mädchen überlegt kurz, und fragt dann: "Kriege ich das überhaupt mit, wenn ich tot bin?" Unter den Kindern beginnt eine Debatte darüber, was passiert, wenn Menschen sterben, über Himmel und Hölle und ihre Vorstellungen davon.

"Diese Themen interessieren alle Kinder", sagt Veller, der Pfarrer an der Wendelinskirche im württembergischen Eschenau ist und Kirchenbesichtigungen mit Kindern seine "Passion" nennt. Kinder beschäftigten sich gerne mit dem, was Erwachsene morbide oder erschreckend finden und häufig auch tabuisieren. In Kirchen lassen sich solche Themen gut besprechen.

Entscheidend bei jeder Kirchenbesichtigung sei es, sich auf ein Thema zu beschränken, erklärt der Theologe. "Manchmal lassen wir uns die Orgel beschreiben oder beschäftigen uns nur mit dem Taufstein." Dabei komme es darauf an, den Kindern die Möglichkeit zu geben, die Kirche selbst zu entdecken und sie nicht mit endlosen Vorträgen zu langweilen.

Außerdem müssten sich Erwachsene auf die Sichtweise von Kindern einlassen, "da kann man auch selbst immer wieder etwas lernen", ist Veller überzeugt. Zum Beispiel dann, wenn sich die Neunjährigen über ihre Vorstellungen von der Hölle unterhalten: "Alles ist voll Feuer" – "Da werden die Seelen auf Pfähle gespießt" – "Da brennen Menschen", heißt es da. Die Bilder, die die Kinder entwerfen, sind dramatisch, meist auch ziemlich blutig. Veller hört zu, ab und zu erklärt er etwas. Zum Beispiel, dass Christen an ein Leben nach dem Tod glauben, dass es einen Gott gibt, der den Teufel, den Drachen und das Böse überwunden hat und auf den die Kinder vertrauen können.

Lange Zeit sei das Thema kindgerechter Führungen von den Kirchen kaum beachtet worden. Inzwischen hätten mehr und mehr Pfarrer erkannt, wie wichtig es sei, Kinder mit den Räumen vertraut zu machen, so der Seelsorger.

Auch Claus Jesch, Referent im Bereich missionarische Dienste der württembergischen evangelischen Landeskirche, weiß, dass Kinder eine eigene Vorstellung von Kirchenräumen hätten. "Sie sind einfach neugierig, was sich in einer Kirche versteckt." Das Thema "Kirchenführungen für Kinder" sei deshalb auch Teil der Kirchenführerausbildung, die seit drei Jahren in der Landeskirche angeboten wird.

Die Kinder in Schwäbisch Hall haben sich mittlerweile einen Zeichenblock und Stifte geholt: Sie dürfen alles abzeichnen, was mit St. Michael, seinem Drachen, Tod oder Teufel zu tun hat. Der neunjährige Joachim liegt auf den Stufen vor dem Altar und malt das Altarbild ab: Jesus, der die Verstorbenen aus der Hölle in den Himmel führt. "Die Teufel wollen ihn davon abhalten", sagt der Junge, "aber sie schaffen es nicht". Dazu nickt er triumphierend.