Zwischenlandung für die Seele

Flughafenseelsorge sorgt für eine Atempause

03. August 2007


"Danke für diesen ruhigen Ort" hat eine Lufthansa-Mitarbeiterin in geschwungener Schrift in das blaue Gästebuch der Kapelle geschrieben: "Es tut gut." Im Untergeschoss des Flughafens Hannover-Langenhagen liegt der kleine Raum still und abseits vom hektischen Betrieb. Ganz schlicht ist das Wort "Kapelle" in das Milchglas der Scheiben graviert.

"Ein älterer, polnischer Mann kommt öfter hierher", sagt Pastor Holger Birth, der als Seelsorger am Flughafen arbeitet. "Dabei wohnt er am anderen Ende der Stadt. Er kommt, weil er weiß, dass die Kapelle immer offen ist: 24 Stunden, 365 Tage im Jahr."

Der Pole ist einer von geschätzten 1.400 Menschen, die die Kapelle pro Monat nutzen: Mitarbeiter und Reisegruppen, Alleinreisende und Abholer. Etwa fünf bis sechs Millionen Passagiere fertigt der Flughafen jährlich ab. Mit 6.000 Mitarbeitern ist der Airport einer der größten Arbeitgeber der Region. "Fast eine Kleinstadt", sagt der evangelische Pastor schmunzelnd. "Da darf doch die Kirche nicht fehlen."

An neun deutschen Flughäfen gibt es mittlerweile eine Flughafenseelsorge. Das Angebot in Langenhagen ist noch jung: Erst seit Mai 2006 gibt es die halbe Stelle von Holger Birth, die die hannoversche Landeskirche, das Bistum Hildesheim und die Ecclesia Versicherung gemeinsam tragen.

Auch wenn Birth nach einem Jahr nicht immer alle Gesichter auf Anhieb zuordnen kann - die Leute kennen ihn. Wenn der 37-Jährige mit seinem kleinen Namensschild am Jackett und dem weißen Kollarhemd durch die Flure läuft, grüßen ihn viele Mitarbeiter, wechseln ein paar Worte. Manchmal ergeben sich Gespräche. "Wir wollen als Kirche da sein, wo die Menschen sind", sagt Birth, "wo sie arbeiten und vorbei kommen. Ohne große Hemmschwelle. Das nehmen viele wahr."

Holger Birth betreut Passagiere und Mitarbeiter, begleitet durch den Alltag und kleine Krisen. "Das haben wir uns schon lange gewünscht", ist ein Satz, den er schon oft gehört hat. Dennoch ergeben sich die meisten Gespräche ganz beiläufig: Zwischen Tür und Angel, am Gepäckband und am Kantinentisch. "Meist reden wir über ganz Alltägliches", erzählt der Seelsorger. "Erst nach und nach kommen dann persönliche Themen zur Sprache." Dazu gehören Sorgen um den Arbeitsplatz, Streit in der Ehe oder Probleme mit den Kindern.

In der kleinen Flughafenkapelle liegt mittlerweile das vierte Gästebuch aus. Nicht länger als ein halbes Jahr hat es gedauert, bis das gestärkte Papier mit Segenswünschen für die Familie oder Verstorbene in verschiedenen Sprachen gefüllt war. "Beschütze uns in unserem Urlaub in Portugal", notiert eine Frau mit elegantem Schwung. "Lass uns als Paar wieder zueinander finden", schreibt ein Mann kaum leserlich. Eine Vorstufe zum Gebet nennt Birth die beeindruckenden Zeugnisse im Gästebuch. "Viele müssen erst wieder lernen, ihre Bitten in Gebetsform zu formulieren."

Selbstverständlich ist die Arbeit am Flughafen für Birth nicht. Erst mit der Zeit hat der Theologe verstanden, dass er präsent sein muss, damit ihn die Leute wahrnehmen. Heute zeigt er den Mitarbeitern, dass er dazugehört. An jedem Dienstag lädt der Pastor zur "Zwischenlandung", einem gemeinsamen Mittagsgebet ein: "Die Menschen sollen wissen, dass es eine Zeit gibt, in der sie einfach kommen können."

Von Sandra Fejjeri (epd)