Schwimmbadkirche sprudelt voller Leben

Die Petrikirche in St. Petersburg ist Begegnungsstätte von Russen und Deutschen

30. Juli 2007


Wer den berühmten Newski-Prospekt in Sankt Petersburg entlang schlendert, sieht sie nicht sofort: Die Petrikirche steht etwas zurückgesetzt im Schatten der hohen Häuser, als wolle sie sich verbergen. Wäre dies gelungen, so wäre der Kirche einiges erspart geblieben. Das Gebäude teilte zu Sowjetzeiten das Schicksal vieler anderer Gotteshäuser und wurde für höchst weltliche Zwecke missbraucht. In die Petrikirche wurde ein Schwimmbecken eingebaut, weshalb sie nun nach ihrer Rückgabe an die lutherisch-evangelische Gemeinde den Spitznamen Schwimmbadkirche trägt.

Die Anfänge der Kirche reichen bis in das Jahr 1727 zurück. Genau vor 280 Jahren übergab Zar Peter I. der deutschen lutherischen Gemeinde in Sankt Petersburg ein Grundstück zum Bau ihrer Kirche. Schon drei Jahre später stand der Holzbau, der nach den Plänen des italienisch-schweizerischen Architekten Domenico Tresini errichtet wurde. Zwei Nebengebäude vervollständigten das architektonische Ensemble.

Der jetzige Bau ist allerdings aus Stein und stammt aus dem 19. Jahrhundert. Alexander Brüllow entwarf das Gebäude im Stil einer romanischen Basilika. Die beiden Ecktürme verleihen der Kirche eine gewisse Leichtigkeit und Schlankheit. Sein Bruder, der berühmte russische Maler Karl Brüllow, schuf das Altarbild dazu. Die Petrikirche war auch sonst gut ausgestattet, denn der Gemeinde ging es gut. Vor der Revolution zählte sie über 15.000 Mitglieder.

Doch nach dem Sieg der Bolschewiki setzten die Verfolgungen ein. 1937 wurde das Gotteshaus geschlossen und zunächst als Lagerraum genutzt. Zu Sowjetzeiten war das kein Einzelfall. Kirchen wurden als Garage, als Werkstatt oder Straßenbahndepot zweckentfremdet. Die berühmte Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale sprengten die Sowjets sogar, um anschließend ein Freibad darauf zu bauen. Eine Sprengung blieb der Petrikirche erspart, doch die Gemäuer mussten schließlich als Schwimmhalle herhalten.

Ein solcher Umbau ist selbst für russische Verhältnisse ein Unikum. Heute verleihe diese architektonische Besonderheit der wieder als Gotteshaus genutzten Kirche ihren eigenen Charme, ist Pastor Hans Hermann Achenbach überzeugt. "Sie ist viel heller als früher", erklärt er. Susanne Brammerloh, ein Mitglied der Gemeinde, stimmt dem Pastor zu. Auch für sie hat das Ambiente etwas charmant Eigenes und Unnachahmliches. Auch wenn einige Besucher die sichtbaren Überreste des Schwimmbads in der Kirche stören, die Gemeinde hat sich längst daran gewöhnt.

Natürlich sind es heute keine 15.000 Mitglieder mehr, auch der große Zulauf unmittelbar nach der Wiedereröffnung hat nachgelassen. "Dafür ist ein neues Bewusststein entstanden, was die Kirche im Innersten bestimmt", erklärt Achenbach. 300 zahlende Mitglieder sind registriert, zu jedem Gottesdienst erscheinen 50 bis 100 Besucher in der Petrikirche. An Feiertagen sind es deutlich mehr.

"Die Kirche lebt und gedeiht", freut sich der Pastor, denn es kommen nicht nur alte Menschen zum Gottesdienst. Das Publikum ist ganz gemischt. Neben den wenigen alten Petersburger Lutheranern sitzen Russlanddeutsche aus Kasachstan und Sibirien, Teile der deutschen Gemeinde von St. Petersburg, aber auch Russen, die neu zum evangelischen Glauben gefunden haben und sich konfirmieren ließen. Schon lange findet der Gottesdienst daher zweisprachig statt.

Die Kapelle wurde inzwischen von Adam Schmidt, einem Russlanddeutschen aus Jaroslawl neu bemalt. Es sind Bilder über die Repressionen, "zum Teil sehr beeindruckende Werke", findet Achenbach. Auch das noch erhaltene Bassin wurde zu einer Gedenkstätte ausgebaut. Doch nicht nur als Mahnmal, sondern vor allem als Gotteshaus und Begegnungsstätte zwischen Deutschen und Russen hat die Petrikirche, die seit einiger Zeit auch die deutschsprachige "St. Petersburgische Zeitung" beheimatet, enorme Bedeutung erlangt. Pastor Achenbach blickt daher optimistisch in die Zukunft seiner Schwimmbadkirche.


Petrikirche in St. Petersburg

Deutsche Evangelisch-Lutherische St. Annen und St. Petrigemeinde