Pfarrerin einer Minderheit im Umfeld fremder Sprache

Europäische Auslandskonferenz evangelischer deutschsprachiger Geistlicher

26. Juli 2007


„Ich bin eine Geburtsprotestantin.“ Mit dieser Selbstbeschreibung überrascht Heidrun Kück-Witzig. Die Pfarrerin ist seit August 2000 von der EKD in die Reformierte Kirche Frankreichs zum Dienst in der Deutschsprachigen Gemeindegruppe Toulouse entsandt. Mit Sack und Pack, Ehemann und Sohn, ist sie in das Ballungsgebiet der viertgrößten Stadt Frankreichs umgezogen.

„Geburtsprotestantin“ nennt sich die aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hannovers stammende Theologin auf Grund der besonderen Herausforderung in Südfrankreich, als Protestantin zu einer kleinen, manchmal bestaunten Minderheit zu gehören. Nur 0,1 Prozent der Bevölkerung sind in Frankreich evangelisch. Anders als in Deutschland, wo es etwa gleich viel Katholiken und Protestanten gibt, die zusammen die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, sind in Frankreich nach den Katholiken die Muslime die zweitgrößte religiöse Gruppe. So ist die Pfarrerin aus dem Norden Deutschlands im Süden Frankreichs gefordert, zu zeigen, was protestantisches Selbstverständnis ist.

Seit mittlerweile sieben Jahren ist die Pfarrerin zusammen mit einigen weiteren Mitarbeitern für deutschsprachige und evangelische Christen im Südwesten Frankreichs zuständig. Die Gemeinde gehört zur Église Réformée de Toulouse, zur Reformierten Kirche in Toulouse. Die Anfänge der Gemeinde finden sich im Jahr 1981. Der deutsche Vikar Matthias Teutsch brachte die Sache ins Rollen, als er für ein Jahr als Gastvikar in die Église Réformée nach Toulouse kam. Er wurde auf die wachsende Gruppe der Deutschen aufmerksam. Von der französischen Gemeinde wurde er zeitweise freigestellt, um die deutschsprachigen Protestanten zu betreuen. Bald darauf wurde in Toulouse der erste Konfirmandenunterricht in deutscher Sprache, aber auch Gottesdienste und Bibelabende angeboten.

Seit den 70er Jahren kommen vermehrt Deutsche in die Hauptstadt der französischen Region Midi-Pyrénées. Toulouse ist der französische Hauptsitz und die Konzernzentrale des deutsch-französischen Airbus-Unternehmens. Toulouse wurde seit den 60er Jahren als Zentrum der französischen Luft- und Raumfahrttechnik ausgebaut und hat so immer auch Mitarbeiter aus Deutschland angezogen. Außerdem leben in der deutschsprachigen Gemeindegruppe auch Selbstständige und Deutsche, die ihren Ruhestand in der Region rund um Toulouse verbringen. Seit den Ursprüngen des deutschsprachigen, evangelischen Angebots in dieser Region hat sich viel verändert. Die Gemeinde bestand 1993 aus 34 Familien, ihre Zahl ist bis heute auf 60 Mitgliedsfamilien angewachsen.

Doch vom 23. bis zum 30. Juli ist die Pfarrerin aus dem Südwesten Frankreichs im Südwesten Deutschlands. In dem malerischen Weinort Löwenstein in der Nähe von Heilbronn treffen sich 49 der von der EKD in die unterschiedlichsten Regionen Europas entsandten Pfarrerinnen und Pfarrer. Unter dem Thema „Lass mich dein sein und bleiben... Fundamente evangelischer Identität in Europa“, findet zwischen den Weinbergen der Hohenlohe die Europäische Auslandspfarrkonferenz der EKD statt, zu der Kolleginnen und Kollegen aus England und Italien, Finnland und Spanien, der Russischen Föderation und Ungarn angereist sind.

Für die Toulouser Pfarrerin Heidrun Kück-Witzig sprachen zwei Gründe dafür, sich mit den anderen zu treffen. Zum einen „möchte ich Kollegen mal wieder treffen, da wir so weit voneinander tätig sind.“ Untereinander können persönliche Erfahrungen aus dem europäischen Auslandsdienst ausgetauscht werden. Außerdem sei sie an dem Thema interessiert, da sie wie ihre anderen Kollegen, in einer unterschiedlich konfessionell und religiös geprägten Umgebung lebt und neu zeigen muss, was es heißt „evangelisch“ zu sein. Deutschsprachige Protestantin im französischen Nachbarland zu sein, führt eben auch in einen Legitimationszwang. Heidrun Kück-Witzig will sich im Kreis der Kolleginnen und Kollegen ihrer theologischen Tradition und Grundüberzeugung vergewissern.

Die alle zwei Jahre tagende Europäische Auslandspfarrkonferenz sei der Ort, an dem Pfarrer und Pfarrerinnen nicht nur ihre Erfahrungen und Erlebnisse austauschen, sondern sich gegenseitig kollegial mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Da die Geistlichen aus den verschiedenen Regionen Europas mit ihren Familien anreisen, sei das Treffen auch für die etwa 40 Kinder eine besondere Gelegenheit europaumfassend miteinander zu spielen, weiß Antje Heider-Rottwilm, Leiterin der Europa-Abteilung im Kirchenamt der EKD. Die Europäischen Auslandspfarrkonferenzen werden genutzt, Dienstgespräche mit den einzelnen Pfarrerinnen und Pfarrern zu führen. Dienstliche Informationen, die bei den weit verstreut arbeitenden Pfarrerinnen und Pfarrern oft nur schriftlich per Post oder per E-Mail vermittelt werden, können so miteinander besprochen werden. Erstmalig trifft sich Auslandsbischof Martin Schindehütte mit den europäischen Auslandspfarrern. Mitarbeitende verschiedener landeskirchlicher Personaldezernate berichten über die Möglichkeiten für die Pfarrerinnen und Pfarrer, wenn der Entsendungsdienst zu Ende geht. Die Ehepartner der entsandten Pfarrerinnen und Pfarrer kommen miteinander ins Gespräch über ihre besondere Situation als Pfarrfrau oder Pfarrmann die Ehepartner ins Ausland zu begleiten, und die Entsandten verständigen sich über die Möglichkeiten, Begleitung und Unterstützung im deutschsprachigen Pfarramt im fremdsprachigen Umfeld.

Die EKD im europäischen Kontext

Die deutschsprachigen evangelischen Gemeinden im Ausland

Die Deutsche Evangelische Gemeindegruppe in Toulouse