"Rastplätze für die Seele"

Autobahnkirchen als Orte der Besinnung und Ruhe

21. Juni 2007


"Mama, wann sind wir endlich da?" Die kleine Annina kann den Zwischenstopp kaum noch erwarten. Drei Stunden Autobahnfahrt sind genug, Mutter Marion steuert den nächsten Rastplatz an. Wenige hundert Meter weiter liegt abseits, nahezu idyllisch an einem Waldstück, die Autobahnkapelle. Das Mädchen und ihre Mama machen jedes Jahr auf ihrer Urlaubsfahrt zur Nordsee dort Station. Eine kirchliche Mitarbeiterin begrüßt die beiden Reisenden und schenkt Annina Malblätter. "Damit es später im Auto nicht langweilig wird". Schon vor Jahren entdeckte Marion G. die Autobahnkapelle Münster-Roxel an der A1 Dortmund-Bremen eher zufällig. Seitdem macht sie auf ihrer Fahrt in die großen Ferien hier eine Pause. Zusammen mit ihrer Tochter zündet sie eine Kerze an und bittet um den Reisesegen. "Diese Kapelle zieht mich an", sagt sie. Das kurze Gebet an der Autobahn gibt Marion G. ein gutes Gefühl.

Ganz anders dagegen der Mann im blauen Overall. Der LKW-Fahrer mittleren Alters trägt eine Halskette mit Kreuz. Kurz vor seinem nächsten Halt kniet er auf der Kirchenbank nieder, schließt die Augen und nimmt die Hände vors Gesicht. Er ist allein in der Kapelle. Kein Wort ist zu hören. Nur das Sausen vorbeirasender Autos stört die Ruhe. Der Fernfahrer aus Würzburg nimmt sich oft Zeit, um zu beten. Wer Gott sehen will, kann ihm im Alltag begegnen, wenn Menschen aufeinander Rücksicht nehmen, freundlich und hilfsbereit sind, sagt er. Das vermisst der Brummifahrer gerade auf der Autobahn immer wieder. Dabei kann ein Stopp an der Autobahnkirche helfen, um sicherer und gelassener weiter zu fahren.

Als "Rastplätze für die Seele" ziehen die Autobahnkirchen vor allem in der sommerlichen Reisezeit vermehrt Besucher an. 31 Kirchen und Kapellen in evangelischer, katholischer oder ökumenischer Trägerschaft am Rande der deutschen Autobahnen laden als Orte der Besinnung und der Ruhe zum Verweilen oder zum stillen Gebet ein. Wer in den Kirchen am Straßenrand etwas Kraft und Ruhe getankt hat, steigt meist entspannter und gelassener wieder ins Auto. Dies bringt nicht nur persönliche Erholung, sondern dient auch der Verkehrssicherheit.

Nach Angaben der Bruderhilfe-Akademie (Die Bruderhilfe Familienfürsorge ist ein kirchennaher Versicherer, der sich seit Jahren besonders für Autobahnkirchen engagiert) werden die 31 deutschen Autobahnkirchen von rund einer Million Menschen im Jahr besucht. Rund ein Drittel der Besucher seien aktive Christen, ein Drittel seien Kirchenmitglieder, die dem Gemeindeleben aber fern stünden, und ein Drittel wolle sich erholen oder die Stille genießen. Die Akademie Bruderhilfe hat einen 100-seitigen Reiseführer "Rastplätze für die Seele" herausgebracht. Er kann direkt bei der Akademie bestellt werden.

Die erste Kirche für Autoreisende entstand 1958 in Adelsried, an der A 8 zwischen Stuttgart und München. Sie geht auf die Stiftung einer Unternehmerfamilie zurück, die dort einen Angehörigen bei einem Unfall verlor.

Das Netz der Autobahnkirchen in Deutschland soll dichter werden. Noch in diesem Jahr sind im südthüringischen Suhl und an der A 38 in Niedersachsen weitere "Rastplätze für die Seele" vorgesehen. Geplant ist zudem eine weitere Autobahnkirche an der A 4 in Thüringen sowie eine an der neuen Autobahn zwischen Dresden und Prag bei Pirna. Noch für dieses Jahr ist zudem die Eröffnung der ersten tschechischen Autobahnkirche bei Pilsen vorgesehen.

Unter den Gotteshäusern an der Autobahn finden sich größere Kirchen, in denen Ortsgemeinden ihre Gottesdienste feiern, ebenso wie kleine Andachtsräume. Die Autobahnkirchen sind durch örtliche oder regionale Initiativen entstanden.

Am Sonntag, 24. Juni, findet der „Tag der Autobahnkirchen“ statt, der im ZDF-Fernseh-Gottesdienst bekannt gegeben wird. Um 14 Uhr wird in den deutschen Autobahnkirchen eine Kurzandacht mit Reisesegen angeboten. Bei dieser Gelegenheit wird auch ein Heft mit Gebeten und Liedern für unterwegs, ein mehrsprachiger Reisesegen, ein Autoaufkleber „Notfallseelsorge“ sowie eine Christophorus-Plakette kostenlos an die Besucher verteilt. Begleitend ist der Start der Aktion “Reisesegen aufs Handy” per SMS vorgesehen.

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