Amjao lernt Englisch und Gemeinschaft

Familie, Glaube, Bildung, Gemeinschaft

18. Mai 2007


Amjao Vahedi ist siebzehn Jahre alt. In London besucht er eine Schule der anglikanischen Kirche. Als er dort vor vier Jahren eingeschult wurde, konnte er außer „Hello“ kein Wort Englisch. Wenn man denn „Hello“ ein überhaupt als ein englisches Wort bezeichnen will.

Die Chancen für Amjao standen damals schlecht. Er lebt im Londoner Stadtteil Kilburn. Dieser Stadtteil ist von Armut geprägt. Nicht nur Amjao hat damit schwierige Startbedingungen. Seinen Mitschülern ging es nicht besser. Die Sitten waren rau, auch in dem aus vielen Nationen und Kulturen zusammen gewürfelten Klassenverband. Aber sie rauften sich zusammen. Sie erlebten ein gutes Erziehungsklima. Jeder sollte ans Ziel kommen. Keiner musste befürchten, sitzen zu bleiben.

Vor wenigen Tagen überreichte der anglikanische Bischof von London, Richard Chartres, Amjao eine Auszeichnung. Er hatte die Schule nicht nur mit herausragend guten Leistungen abgeschlossen. Er war auch eine von Schülern und Lehrern gleichermaßen geachtete Persönlichkeit geworden.

Was war geschehen? Bischof Richard Chartres, der Bischof in London und damit Partner des evangelischen Berliner Bischofs Wolfgang Huber, hat diese erstaunliche Entwicklung mit vier einfachen Worten erklärt: Familie, Glaube, Bildung, Gemeinschaft. Der Londoner Bischof ist überzeugt, diese vier Faktoren hätten das Wunder vollbracht.

Eine liebende Familie ist das erste. So armselig die Verhältnisse auch sind, Amjao fühlt sich in seiner Familie geborgen, angenommen und begleitet. Das vermittelt Sicherheit und Kraft. Auch unter noch so schwierigen Bedingungen entsteht ein Bewusstsein der eigenen Würde. Der Glaube ist das zweite. Amjao ist Moslem; er findet Halt in seinem Glauben. In dieser christlichen Schule in London spürt er: Nicht nur sein Glaube wird toleriert; er selbst wird akzeptiert. Auch die vierzig Prozent Schüler, die Muslime sind, werden in ihrer religiösen Haltung geachtet. Das wirkt Wunder. Bildung ist wichtig. Auch wer mit 13 Jahren noch nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt, kann mit 17 ein guter Schüler sein. Bei Amjao ist das gelungen. Jetzt plant er mutig seine Ausbildung. Sport und Freizeit sind das Gebiet, mit dem er sich beschäftigen möchte. Und schließlich Gemeinschaft! Keiner von uns lebt für sich allein. Jeder braucht eine Gemeinschaft, in der er sich geborgen weiß. Das hat Amjao erlebt. Die Schule der Anglikaner in London legt auf Gemeinschaftsbildung besonders viel Wert. Gewalt findet nicht statt. Der achtungsvolle Umgang miteinander wird täglich geübt. Einer steht für den anderen ein. Auch Amjao hat das geholfen.

Als Bischof Chartres dies Bischof Huber erzählte, war zu spüren: Der Bischof von London hatte den muslimischen jungen Mann lieb gewonnen. Jesus hätte das gefallen. Er hätte dazu gesagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“