Sorge um Religionsfreiheit

EKD erwartet aktive Schritte der türkischen Regierung

20. April 2007


In der türkischen Stadt Malatya sind drei Mitarbeiter eines Verlages, der vorwiegend christliche Literatur vertreibt, von fünf jugendlichen Tätern ermordet worden, darunter der Deutsche Tilman Geske. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist erschüttert über diese Morde und spricht ihr tiefstes Mitgefühl denen aus, die um die Opfer trauern.

Mit großer Sorge beobachtet die EKD, dass es in den letzten Jahren in der Türkei verstärkt zu nationalistisch motivierten Kampagnen, in denen auch religiöse Überzeugungen eine Rolle spielen, gegen christliche Missionare gekommen ist. Diese wurden dabei als ausländische Agenten denunziert, die es darauf abgesehen hätten, die Einheit der türkischen Nation zu spalten. An diesen Kampagnen haben sich sowohl verschiedene Medien als auch namhafte Politiker beteiligt.

Die Lage der christlichen Minderheiten in der Türkei ist schon seit vielen Jahrzehnten existenzbedrohend. In der gegenwärtig angeheizten Atmosphäre ist es zu mehreren gewalttätigen Aktionen gegen christliche Gemeinden und Einzelpersonen gekommen. So wurde im Februar 2006 in der Schwarzmeerstadt Trabzon der dortige katholische Priesters Santoro und im Januar 2007 der armenisch-türkische Journalist Hrant Dink ermordet.

Mit der Gewalttat in Malatya ist nun zum ersten Mal eine türkisch-protestantische Gemeinde von Übergriffen türkischer Nationalisten betroffen. Die Tat konnte begangen werden, obwohl die zuständigen Behörden seit längerer Zeit von Morddrohungen gegen die Gemeinde in Malatya wussten. Die EKD erwartet, dass die türkischen Behörden die Tat und ihre Hintergründe restlos aufklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen wird.

Die unbefriedigende Lage von Minderheiten in der Türkei und die Gewährung von Religionsfreiheit war in den zurückliegenden Jahren Gegenstand der Fortschrittsberichte der Europäischen Union, die diese im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erstellt hat. Diese Berichte haben mehrfach dargelegt, dass es trotz gewisser Verbesserungen bei rechtlichen und praktischen Regelungen weiterhin deutliche Defizite bei der Gewährung von Religionsfreiheit und der rechtlichen Anerkennung und Absicherung für religiöse und ethnische Minderheiten gibt.

Trotz anderslautender Willensbekundungen ist es auch der amtierenden Regierung in den letzten Jahren nicht gelungen, die schlechte Rechtssituation der Kirchen in der Türkei zu verbessern. Weiterhin wird den Kirchen ein verlässlicher Rechtsstatus verweigert.

Wenn es nun verstärkt zu Anfeindungen gegenüber den Kirchen seitens nationalistischer Kreise, ja sogar zu gewalttätigen Übergriffen kommt, dann erwächst daraus für die politisch Handelnden eine besondere Verantwortung, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, welche die Rechtssicherheit religiöser Minderheiten in der Türkei gewährleisten und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft nachhaltig verbessern. Deshalb erwartet die EKD von der türkischen Regierung aktive Schritte zur rechtlichen Anerkennung der christlichen Kirchen in der Türkei, zum Schutz der Christen und zur Vermeidung von negativen Darstellung des Christentum in der Öffentlichkeit.

In der Türkei haben sowohl der Islam wie auch das Christentum überaus bedeutende historische Wurzeln und Traditionen. Die bestehende Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen muss verstärkt werden, um extremistischen Kräften entgegenzuwirken, Feindbildern entgegenzuwirken und Aussöhnung und Verständigung zu fördern.

Die Betroffenheit über die Morde in Malatya verbindet Christen und Muslime in Deutschland. Der neu gegründete Koordinierungsrat der Muslime verurteilte die Tat „mit tiefem Entsetzen und Abscheu“, ähnlich äußerten sich DITIB und das Zentral-Institut Islam-Archiv, das feststellte, es müsse „die Angelegenheit aller Moslems sein, gegen derartige Verbrechen aufzustehen, um ihre Solidarität mit der kleinen christlichen Minderheit in der Türkei zu bekunden.“

Reaktion des EKD-Ratsvorsitzenden auf Morde in der Türkei

Hinweis:
Unser Foto zeigt türkische Demonstranten auf dem Taksim Square in Istanbul, die gegen die Ermordung von drei Mitarbeitern eines christlichen Verlagshauses in Malatya im Südosten der Türkei am 18. April protestieren. Auf dem Tranparent steht: "Solidarität gegen Faschismus, wir sind alle Christen".