EKD sieht sich als Dolmetscher zwischen Israel und Palästinensern - Bischof Huber beklagt Lage der Christen im Westjordanland

Wolfgang Huber - epd-Interview

12. April 2007


Jerusalem (epd). Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) besucht zurzeit das Heilige Land. Die EKD-Delegation bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Solidarität mit Israel einerseits und der Verbundenheit mit den palästinensischen Christen und ihrem Volk andererseits. Mit dem Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, sprach Thomas Schiller in Jerusalem über Chancen und Grenzen der sechstägigen EKD-Reise.

epd: Herr Bischof, eines der wesentlichen Anliegen bei der Reise des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland durch Israel und Palästina ist die Situation der Christen im Heiligen Land. Wie stellt sie sich dar?

Huber: Nach wie vor macht es die politische und soziale Situation den Christen im Heiligen Land sehr schwer, hier auf Dauer Heimat zu behalten, ihr Leben zu entwickeln und zu entfalten. Sie sind eine kleiner werdende Minderheit; in den Autonomiegebieten leben sie in einer überwiegend muslimischen Bevölkerung. Sie sind zum großen Teil überdurchschnittlich gut ausgebildet. Sie haben aber oft keine berufliche Perspektive hier.

epd: Wie wirkt sich die israelische Sicherheitspolitik aus?

Huber: Die Christen leiden wie alle Palästinenser unter den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten. Der politische Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bedrückt sie. Die Sicherheitsmaßnahmen schneiden tief ins palästinensische Gebiet ein.

epd: Sind evangelische Einrichtungen im Westjordanland unmittelbar betroffen?

Huber: Wir sind mit unseren eigenen Einrichtungen direkt betroffen. Ich bin als Berliner Bischof der evangelischen Schule Talitha Kumi in Beit Dschala in besonderer Verantwortung verbunden, sie wird vom Berliner Missionswerk getragen. Ich habe Zeiten erlebt, in denen die Schule geschlossen werden musste, weil Schüler und Lehrer die Ausbildungsstätte gar nicht erreichen konnten. Auch gegenwärtig sind die Bedingungen sehr erschwert. Es ist unklar, wie sich der weitere Ausbau der israelischen Sicherungsmaßnahmen auf die Schule auswirkt.

epd: Auf der einen Seite bekennt sich die EKD zur Solidarität mit Israel und dem jüdischen Volk. Gleichzeitig muss sie Partei ergreifen für die Situation der palästinensischen Christen und auf die schwierige humanitäre Situation ihres Volkes hinweisen. Wie stellen Sie sich diesem Spannungsfeld?

Huber: Es ist unsere Aufgabe, jeweils auch für die andere Seite zu interpretieren: Wie wirkt das israelische Handeln auf die Palästinenser? Wie wirken die palästinensischen Aktionen auf Israel? Man kann Frieden überhaupt nur erhoffen in dieser Region, wenn beide Seiten sich wechselseitig besser verstehen. Dabei Dolmetscher und Interpreten zu sein ist der kleine Beitrag, den wir zur Versöhnung und Verständigung leisten können.

epd: Wie kann das gelingen?

Huber: Es ist wichtig, dass man zu beiden Seiten mit derselben Stimme spricht: dass man gegenüber Israel verständlich zu machen versucht, was die Palästinenser bewegt, und genauso den Palästinensern ganz unzweideutig klar macht, dass das Ja zum Existenzrecht Israels eine Bedingung ist, ohne die es einen Fortschritt nicht geben kann. Die Lösung ist deutlich: Es muss zwei Staaten geben, die im Frieden und in wechselseitiger Anerkennung ihrer Sicherheitsbedürfnisse koexistieren.

epd: Wo sind die Chancen dieser Reise des Rates der EKD?

Huber: Die Chancen liegen darin, dass wir als evangelische Kirche hier schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Region präsent sind. Ich empfinde gerade bei diesem Besuch, welche besonderen Möglichkeiten darin liegen, dass wir uns auf Institutionen stützen können, die schon seit langer Zeit und unter unterschiedlichen politischen Bedingungen im Heiligen Land gearbeitet haben. Sie sind der Ausgangspunkt unserer Präsenz.

epd: Und wo liegen die Grenzen?

Huber: Die Grenzen liegen darin, dass wir bei einem kurzen Besuch nur Impulse geben und ermutigen können zu einer Arbeit, die auf Dauer von denen wahrgenommen wird, die hier für die evangelische Kirche präsent sind. Sie liegen zugleich darin, dass ein so tief verwurzelter Konflikt nur sehr schwer aufgelöst werden kann.

epd: Sie sind gestern vom jüdischen Oberrabbiner Jona Metzger um Vermittlung gebeten worden für die Sache der entführten israelischen Soldaten. Was kann der Ratsvorsitzende der EKD in einer so schwierigen Angelegenheit überhaupt leisten?

Huber: Fürsprecher zu sein ist eine realistische Erwartung - in der Sprache der christlichen Tradition nennen wir das Interzession. Es ist mir umso leichter gefallen, das dem Oberrabbiner zuzusagen, weil ich mich in dieser Frage schon lange engagiert habe. Ich habe mich dazu bereits an Weihnachten 2006 öffentlich geäußert. Wir haben uns für diese Sache im direkten Kontakt zwischen dem Berliner Missionswerk und dem Bundeskanzleramt eingesetzt. Die Bundeskanzlerin hat sich bekanntlich dieses Thema zu eigen gemacht. Ich werde selbstverständlich auch gegenüber dem palästinensischen Präsidenten dieses Thema ansprechen.