Bundespräsident besuchte EÖV3-Tagung

Kirchenvertreter machten „Gang durch die Reformation“

17. Februar 2007


Wenn sich mehr als 150 Vertreter christlicher Konfessionen in der Lutherstadt Wittenberg versammeln, um über die Rolle der Kirchen in Europa nachzudenken, lässt es sich Bundespräsident Horst Köhler nicht nehmen, diese Gäste persönlich zu begrüßen. So viele hohe kirchliche Repräsentanten aus ganz Europa an einem Ort zu versammeln: „Das schafft nur die Ökumene“, zeigt sich der Bundespräsident begeistert. In der Stadtkirche St. Marien, in der Martin Luther mehr als 2.000 Mal predigte, rief der Bundespräsident am Freitagabend einen anderen überragenden Vordenker der Reformation ins Gedächtnis: Philipp Melanchthon wurde auf den Tag genau vor 510 Jahren geboren, erinnerte Köhler. Martin Luther soll über seinen Freund gesagt haben: „Wer ihn nicht als seinen Lehrmeister anerkenne, sei ein dummer und dämlicher Esel und ein Banause.“ Melanchthon betete: „Erwähle und bewahre dir in diesen Landen eine unvergängliche Kirche! Heilige und vereinige sie mit deinem Heiligen Geist, damit sie in dir eins sind in der Erkenntnis und Anrufung deines Sohnes.“ Der Bundespräsident wünschte der Tagung in Wittenberg und der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung, dass sie mit dazu beitrügen. Viele Menschen in Deutschland wünschten sich Fortschritte in der Zusammenarbeit und in der gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen christlichen Kirchen, so Horst Köhler. „Ich erhoffe mir von den Kirchen hierzulande neuen Antrieb für die Ökumene.“

Der Bundespräsident konnte nur kurz auf den historischen Pfaden der Lutherstadt wandeln – von der Stadtkirche ging es direkt in das benachbarte Alte Rathaus, wo er sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug. Anders die Kirchenvertreter: Am Nachmittag stand der „Gang durch die Reformation“ auf dem Programm. In sieben Gruppen aufgeteilt, schwärmten die Delegierten zum historischen Stadtrundgang aus. Das Luther-Haus, die alte Universität, das Haus Melanchthons und die Cranach-Stiftung ließen das 16. Jahrhundert lebendig werden.

In der Stadtkirche fanden die Gruppen nach den unterschiedlichen Besichtigungstouren wieder zusammen, um einen anderen prominenten Sohn der Gegend um Wittenberg auf sich wirken zu lassen. Paul Gerhardt wurde am 12. März vor 400 Jahren in Gräfenhainichen geboren. Das liegt nur rund 25 Kilometer südwestlich der Lutherstadt. Dass seine Lieder nicht nur deutschsprachige Christen begeistern zeigte sich am vorbereiteten Liederzettel: So wurde etwa das Lied „Befiehl du deine Wege“ schon im 18. Jahrhundert ins Litauische übersetzt. Auch auf Englisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch, Finnisch, Dänisch, Russisch erklangen Gerhardts Verse am Freitag Nachmittag in der Stadtkirche. Und manch ein vom Stadtrundgang leicht durchgefrorener Besucher mag den Vers „Wer wärmet uns in Kält und Frost? Wer schützt uns vor dem Wind?“ neu wahrgenommen haben.

Am Samstag morgen malte „die güldne Sonne“ ein prächtiges Farbenspiel an den Horizont. Die Teilnehmenden der Wittenberger Tagung können die „Freud und Wonne“ allerdings überwiegend nur durch die Fenster der Leurorea wahrnehmen: Am vorletzten Tag steht ein dichtes Arbeitsprogramm zu den Visionen der Kirchen für Europa und zur Überwindung von Gewalt an.