Europa zu Gast in Wittenberg

Hoffnungszeichen für Europas Ökumene

14. Februar 2007


Wittenberg, die Stadt der Reformation, geprägt von vornehmer Zurückhaltung und typisch protestantischer Schlichtheit. Ab Donnerstag wird man auch folgendes auf den Straßen, in der Schloss- und Stadtkirche der Lutherstadt beobachten können: Wallende schwarze Roben und üppige rotweiße Talare, Männer mit Krummstab, Mitra und langen weißen Bärten, funkelnder Insignienschmuck.

Nein, es ist noch nicht Weihnachten. Aber von Donnerstag, den 15. Februar bis zum Sonntag, den 18. Februar wird Wittenberg die 3. Station auf dem Weg der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV3) sein. An diesen vier Tagen kommen 150 Delegierte aller europäischen Kirchen in Wittenberg zusammen, Orthodoxe, Katholiken und Protestanten. Hinzu kommen ökumenische Organisationen und kirchliche Initiativen aus insgesamt 30 europäischen Ländern. Das Treffen steht unter dem Motto: „Das Licht Christi scheint auf uns alle. Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa“. Dementsprechend stehen insbesondere folgende Themen auf der Tagesordnung:

- Säkularisierung als Herausforderung für Europa

- Visionen aus der Sicht der Kirchen für Europa/Beitrag der Kirchen zur Zukunft Europas

- Dialog der Religionen in Europa

- Ökumenische Hoffnungen und Verständigung zwischen den Kirchen

- Versöhnung in Europa (Dekade zur Überwindung von Gewalt)

Es wird Diskussionsforen und Podiumsdiskussionen geben, Arbeit in Kleingruppen und im Plenum. Bibelarbeiten, Empfänge, Gottesdienste, selbstverständlich in römisch-katholischer, baptistischer, evangelischer und orthodoxer Tradition,  und zum Schluss eine ökumenische Aussendungsliturgie. Besonders interessant für orthodoxe und römisch-katholische Teilnehmer dürfte der als „Gang durch die Reformation“ angepriesene Programmpunkt sein: eine Führung durch die protestantischen Kirchen und Sehenswürdigkeiten Wittenbergs.

Die ökumenische Veranstaltung will sich auch Bundespräsident Horst Köhler nicht entgehen lassen. Am Freitagabend wird er mit einem Grußwort zu Beginn einer Reihe von Vorträgen von örtlichen Vertretern aus Kirche und Öffentlichkeit seinen Teil zur europäischen Ökumene beitragen.

Die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung (EÖV3) ist eine als Pilgerweg angelegte internationale Versammlung der europäischen Kirchen, die in vier Etappen unterteilt ist. Begonnen hat der Pilgerweg im Januar 2006 mit einem Treffen in Rom, führte dann über jeweils regionalen, lokalen und nationalen Treffen in den einzelnen Ländern als 2. Etappe und nun die Lutherstadt Wittenberg als dritte Station, wo Ergebnisse aus bisherigen Treffen zusammengetragen werden und neue Impuls gesetzt werden sollen. Der Pilgerweg und damit die EÖV3 endet in Hermannstadt/Sibiu in Rumänien mit einem Treffen im September 2007, zu dem 2500 Delegierte erwartet werden. Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) laden jeweils gemeinsam zu diesen Europäischen Ökumenischen Versammlungen ein. Die erste EÖV fand 1989 in Basel, die zweite 1997 in Graz statt.

Die Versammlungen bieten den europäischen Kirchen die Möglichkeit, sich auf das zu besinnen, was sie gemeinsam haben und den Reichtum der verschiedenen christlichen Traditionen Europas als Chance zu begreifen. Handlungskompetenzen können erweitert und ökumenische Bemühungen ausgebaut und besser vernetzt werden. Der prozesshafte Charakter der Versammlungen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr bietet zudem Raum für Rückfragen, Neu- oder Wiederaufnahme relevanter Themen.

Die wichtigste Errungenschaft der bisherigen Europäischen Ökumenischen Versammlungen ist die 2001 verfasste Charta Oecumenica, unterschrieben von der KEK und der CCEE, in der die Leitlinien für die Zusammenarbeit der Kirchen in Europa festgelegt sind. Die Charta ist unterteilt in 12 Unterpunkte, mit jeweils gemeinsam formulierten Verpflichtungen, unter anderem zu den Themen Verantwortung in Europa, Einheit im Glauben, Gemeinsamkeit in der Verkündigung des Evangeliums, Versöhnung der Völker und Kulturen, Wahrung der Schöpfung und Dialog mit Judentum und Islam.

Letztendlich verbindet sich mit den Europäschen Ökumenischen Treffen die Hoffnung auf eine klare, gemeinsame Positionierung aller europäischen Kirchen zu Themen wie EU-Erweiterung, Friedens- und Umweltpolitik und Dialog mit dem Islam.

490 Jahre nach der Reformation ist Wittenberg wieder die Stadt des Aufbruchs und der Ideen für das Christentums in Europa. Man darf gespannt sein, welche Hoffnungen sich in Wittenberg erfüllen und  welche Ideen ihren Anfang finden werden.

Deutsche Seite zur 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung

Offizielle Seite der Veranstalter der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung (mehrsprachig)

Charta Oecumenica in deutscher Sprache

Lutherstadt Wittenberg