Luthers Erben – „Avanti Protestanti“

EKD sieht sich durch den Zukunftskongress in Wittenberg in ihrem Reformkurs bestärkt

27. Januar 2007


Zur Mittagszeit am Samstag ist Merkwürdiges in Wittenberg zu sehen: Aus allen Richtungen strömten einzelne Menschen mit langen, braunen Papprollen zielstrebig in Richtung Kongress- und Tagungszentrum. Sie hatten es eilig und ließen sich nicht in Gespräche verwickeln. „Zum Tagungsbüro, zum Tagungsbüro“ – lautet die Parole. Die Boten des Zukunftskongresses der EKD waren unterwegs mit wertvoller Last: Sie tragen aus den verschiedensten Tagungsorten, die über die gesamte Stadt verteilt waren, die Diskussionsergebnisse zusammen: Aus zwölf Foren zu den zwölf Leuchtfeuern. Nach den Assistenten aus den Arbeitsgruppen laufen die Drucker und Kopiergeräte in ganz Wittenberg auf Hochtouren: Die Journalisten waren die ersten, die in den Genuss dieses gemeinschaftlichen Kraftaktes kamen: anderthalb Stunden nach Ende der letzten Forenphase hielten sie die gedruckten Ergebnisse auf 25 Seiten in Händen.

Ein anderes Bild des letzten Tages beim Zukunftskongress: Mit aufgeklapptem Laptop im Arm läuft ein Mitarbeiter aus dem Kirchenamt der EKD von der Leucorea-Universität zurück zum Tagungszentrum. Im Gehen tippt er Formulierungen ein, die der Ratsvorsitzende zum Abschluss des Kongresses im Plenum vortragen könnte. Informationen wurden gesammelt, Beobachtungen aufgeschrieben.

Der Zeitplan war eng gestrickt am letzten Tag. Als „Zeitkorsett“ beschrieb es Wolfgang Huber in seinem Statement auf der Bühne. „Aber Sie als Teilnehmende haben dieses Zeitkorsett wahrhaftig sportlich ertragen.“ Den Abschluss des Kongresses bildete in bester protestantischer Tradition ein Gottesdienst in der Wittenberger Stadtkirche. Auch wenn der Kongress nicht „tanzte“, wie der Ratsvorsitzende einräumte – der Gesang der Teilnehmenden beeindruckte nicht nur die Journalisten.

„Avanti Protestanti“ hat die Katholikin Dagmar Reim am Vorabend den Kongressteilnehmern empfohlen. Die Intendantin des RBB hat unter der Überschrift „Von anderen lernen“ von ihren Fusionserfahrungen berichtet. Die Journalistin Claudia Bender hat zur gleichen Zeit an anderem Ort erzählt, dass die Medien Gesichter und Personen des Protestantismus brauchen. Aus ökumenischer Sicht hat der Holländer Jan-Gerd Heetderks auf den Reformprozess der EKD geschaut und Horst W. Opaschowski über die soziale Wirklichkeit in Deutschland, die den Rahmen für den Reformprozess bildet.

„Was bleibt nach den Tagen in Wittenberg?“, haben die Journalisten bei der abschließenden Pressekonferenz gefragt. Für die Teilnehmenden ist eines klar: Die EKD sehe sich durch den Zukunftskongress in Wittenberg in ihrem Reformkurs bestärkt. Einen Weg zurück gebe es nicht mehr, sagte Wolfgang Huber. Kirchliche Kernaufgaben wie die Gestaltung der Gottesdienste stünden im Mittelpunkt der geplanten Reformen. Die Entscheidung über konkrete Projekte liege nun bei den Leitungsgremien der Landeskirchen und der EKD. Von Wittenberg gehe das Signal aus, dass die Konzentration auf die kirchlichen Kernaufgaben kein leeres Wort sei, sagte Huber. Trotz aller Kontroversen sei auf dem Kongress klar geworden, dass die evangelische Kirche in einen Zukunftsprozess hineingeraten sei. "Wir sind kritisch miteinander umgegangen, und das ist gut so", sagte der Berliner Bischof. Die Kirche dürfe nicht zu harmlos ihre Probleme diskutieren. Nun gehe es darum, Reform- und Pilotprojekte in Gang zu bringen und gelungene Beispiele bekannt zu machen.