Von der Königstochter zur Aussteigerin

Gedenkjahr erinnert an die Thüringer Landgräfin Elisabeth

10. Januar 2007


Der Thüringer Wartburgstadt Eisenach steht 2007 ein Ansturm von Touristen ins Haus. Denn das Bundesland begeht das Gedenkjahr zum 800. Geburtstag der Landgräfin Elisabeth (1207-1231). Und darum ist der "europäischen Heiligen" nicht nur eine Landesausstellung auf der Wartburg gewidmet. Auch der "Thüringen-Tag" steht ganz im Zeichen dieses Jubiläums. Und selbst das Landestheater will aus diesem Anlass ein Musical produzieren.

Damit erweist sich die Landgräfin einmal mehr als eine der populärsten Gestalten der Kirchengeschichte. Mit der Heiligenverehrung der vergangenen Jahrhunderte geriet jedoch ihr tatsächlicher Lebensweg zusehends aus dem Blick. Er begann für sie als ungarische Königstochter und endete als Nonne und Krankenpflegerin fern der Heimat im Alter von nur 24 Jahren.

Die Verheiratung der ungarischen Prinzessin mit dem Fürstensohn am Eisenacher Landgrafenhof sollte beiden Adelshäusern Einfluss und Ansehen vom Thüringer Wald bis zum heutigen nördlichen Kroatien sichern. Vorangegangenen Heiratsabsprachen folgte 1211 die Übergabe der erst vierjährigen Prinzessin. Doch anders als geplant wurde die junge Adlige in Thüringen zu einer entschiedenen Aussteigerin. Ihre Radikalität war für die damalige Zeit ohne Beispiel.

Das Kind sei "in Gold, Silber und Seide gewickelt und in einer silbernen Wiege liegend" überreicht worden, berichtete Elisabeths erster Chronist, der Erfurter Dominikaner Dietrich von Apolda. Die Thüringer Hofdamen registrierten bei Elisabeth schon im zarten Kindesalter eine große Empfänglichkeit für Religiöses. Häufig soll sie vom Spielen weg unvermittelt in die Kirche gerannt sein. Später kam angeblich ein ausgeprägter Gebetseifer hinzu.

Als Landgräfin an der Seite von Ludwig IV. war die 14-Jährige ab 1221 gleichberechtigte Mitregentin. Dabei half sie regelmäßig Armen und Bedürftigen. Während Ludwig ihr Tun ausdrücklich billigte, ging die Hofgesellschaft auf Distanz. So wurde es für Elisabeth am Landgrafenhof nach dem Tode Ludwigs auf einem Kreuzzug 1227 einsam. Höfischen Plänen zu einer erneuten standesgemäßen Hochzeit widersetzte sie sich mit der Drohung, sich zu verstümmeln und die Nase abzuschneiden.

Als sie sich am Karfreitag 1228 in Eisenach öffentlich von ihrer Familie und allem irdischen Glanz lossagte, stand sie bereits unter dem Einfluss des Konrad von Marburg. Der fanatische Prediger hatte die junge Landgräfin wiederholt in der Radikalität ihres Ausbruchs aus adligen Konventionen bestärkt. Offenbar war es aber auch die 20-Jährige selbst, die eine solche Autorität suchte, um ihre Idee eines unbedingten Lebens nach dem Evangelium umzusetzen.

Unter Konrads Anleitung verwirklichte sie ab 1228 in ihrem Marburger Spital das Ideal von der Hingabe an den Nächsten bis zur Selbstaufgabe und ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Nach ihrem Tod 1231 wurde das Grab für zahllose Pilger zur letzten Hoffnung auf ein heilsames Wunder.

In den 700 Zeugenaussagen für die Heiligsprechung sind für Wunderheilungen mehr als 160 Beispiele aufgeführt: Lahme konnten wieder gehen und Blinde wieder sehen, Besessene wurden geheilt, Auswüchse am Kopf eines Mädchens verschwanden. Für die Medizingeschichte zeigen die Protokolle anschaulich die damalige Verbreitung bestimmter Krankheiten.

Bereits vier Jahre nach ihrem Tod wurde Elisabeth heilig gesprochen. Bald rankten sich um ihr Leben zahlreiche Legenden. Darin wird von einem Engel berichtet, der Elisabeth ein Kleid bringt. Zudem soll sie die Seele ihrer Mutter aus dem Fegefeuer befreit haben. Nach der populären "Legende vom Rosenwunder" schließlich haben sich Speisen in Blumen verwandelt, als Elisabeth auf dem unerlaubten Weg zu den Armen von Hofbeamten kontrolliert wurde.

Gerade dieses soziale Engagement hatte die irdische Elisabeth - Legende hin oder her - bereits für ihre Zeitgenossen zum Inbegriff einer Samariterin werden lassen. Mit dem Gedenkjahr wollen Kirchen und andere Veranstalter genau daran wieder erinnern.

2007 - Das Elisabethjahr der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland

800 Jahre Elisabeth - Eine Aktion der Evangelischen Kirchen in Hessen