Europas Mittelpunkt rückt ein wenig weiter nach Osten

Auf dem Weg von Wittenberg nach Hermannstadt

07. Januar 2007


Seit Jahresbeginn sind Rumänien und Bulgarien Mitglieder der Europäischen Union (EU). Der Beitritt dieser beiden Länder verschiebt – nach Berechnungen des Nationalen Geografischen Institutes Frankreichs - den geografischen Mittelpunkt der Union aus dem Westerwald in den hessischen Main-Kinzig-Kreis auf einen 259m hohen Hügel namens "Niedermittlauer Heiligenkopf". Eine weitaus größere Verschiebung Richtung Osten ergab sich vor drei Jahren, als zehn Länder beitraten. Aber auch diese geografisch kleinere Verschiebung bringt Veränderungen und Neuerungen mit sich.

Kirchlich bedeutet der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens, dass mit Bulgarien ein weiteres Land – neben Griechenland - hinzukommt, das hauptsächlich orthodox geprägt ist. Außerdem wird neben dem lateinischen und dem griechischem Alphabet nun das kyrillische zum dritten offiziellem Zeichensatz der EU. Die so genannten Slawen-Apostel Kyrill und Method entwickelten im neunten Jahrhundert das dann später nach Kyrill benannte Alphabet, damit sie für ihre Übersetzung der Bibel in die bulgarische Sprache einen angemessen Zeichensatz hatten. Die Entstehung des kyrillischen Alphabets ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass auch das moderne Europa auf christlichen Wurzeln fußt. Die Bedeutung dieses Erbes griff unter anderem der Rat der EKD auf, als er anlässlich der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Deutschland im Januar 2007 erneut auf die Aufnahme des Gottesbezugs in EU-Verfassung drängte.

Mit Rumänien tritt ein Spiegelbild der ökumenischen Vielfalt der EU bei: Neben der orthodoxen Kirche Rumäniens gibt es eine rumänisch-sprachige katholische Kirche mit byzantinischem Ritus. Die Minderheit der Ungarn, die hauptsächlich in Siebenbürgen siedelt, teilt sich auf in eine reformierte, lutherische und katholische Kirche. Außerdem – wenn auch in geringer Zahl - gibt es noch zwei deutschsprachige Gruppierungen, die lutherischen Gemeinden der Siebenbürger Sachsen und die katholischen Banater Schwaben. Ökumenische Beziehungen in Rumänien gestalten sich aufgrund der Vielfalt komplex und auch nicht immer einfach.

Wegweiser für die Ökumene unter den Kirchen Europas ist die "Charta Oecumenica". Sie ist das erste gemeinsame Dokument der europäischen Kirchen seit 1000 Jahren. Ihre Unterzeichnung im Jahr 2001 auf europäischer und 2003 auf deutscher Ebene wurde als ökumenischer Meilenstein gefeiert. Mit Leben erfüllt wird die Charta Oecumenica durch die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung. Sie ist als ein Pilgerweg durch ganz Europa gestaltet unter dem Motto: „Das Licht Christi scheint auf alle. Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa.“ Christinnen und Christen aller Kirchen und Konfessionen sind in den Jahren 2006 und 2007 unterwegs, sich im Licht des Evangeliums ihre gemeinsamen Aufgaben und ihre Verantwortung für das Zusammenwachsen Europas bewusst zu machen. Die erste Station war Rom. Die letzte Station vor Sibiu ist im Februar 2007 die Lutherstadt Wittenberg. Der Abschluss des Pilgerweges findet im neuen EU-Land Rumänien statt. Tagungsort ist Sibiu – auf deutsch Hermannstadt, auf ungarisch Nagyszeben, zugleich Kulturhauptstadt Europas 2007. Im September 2007 wird auch das kirchliche Zusammenwachsen von West- und Osteuropa in aller Öffentlichkeit deutlich, wenn über 1000 von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und vom Rat der Katholischen Europäischen Bischofskonferenz (CCEE) entsandte Delegierte sich in Hermannstadt treffen. So führt in diesem Jahr der Weg der europäischen Ökumene von der Lutherstadt Wittenberg in die diesjährige europäische Kulturhauptstadt Hermannstadt.