Zwei Kerzen geben mehr Licht

Messer, Gabel, Scher’ und Licht – die Regel gilt auch im Advent

08. Dezember 2006


Es ist noch dunkel draußen. Die Dämmerung durchbricht in diesen Momenten die Finsternis der Nacht und aus dem Schwarz der Dunkelheit entsteht langsam das Grau des Morgens. Nur im Wohnzimmer brennt schon wieder Licht. Die Kinder haben sich, als die Eltern noch schliefen, ins Wohnzimmer geschlichen und den sonntäglichen Frühstückstisch gedeckt. Nun stehen die beiden vor dem Adventskranz: Der Sohn hat die Streichhölzer schon in der Hand, die Tochter versucht ihn noch zurück zu halten: „Du weißt doch, wir sollen nicht mit Feuer spielen.“ Aber es sei doch zweiter Advent, widerspricht ihr Bruder.

Beides ist richtig: An diesem Wochenende feiern die Christen in der Welt den zweiten Advent und es gehört zu den guten deutschen Traditionen, in den Wochen vor Weihnachten einen Adventskranz mit vier Kerzen zu haben. Genauso richtig ist, dass Kinder nicht unbeaufsichtigt mit Streichhölzern und Kerzen hantieren sollten. Die Kerzen an dem aus Tannenzweigen geflochtenen Kranz führen langsam zum Weihnachtsfest hin und bringen Licht in die dunkle Jahreszeit.

Die Nach ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern,“ hat Jochen Klepper vor 68 Jahren mehrdeutig: Meinte er die damalige gesellschaftspolitische Situation in Deutschland, die jahreszeitlich bedingte Dunkelheit oder den allgemeinen Zustand der Menschheit? Zumindest gibt die dunkle Zeit des Dezembers auch ein Bild der Welt. In dieser Dunkelheit hoffen Menschen auf das Licht. Sie erinnern sich, was der alttestamentliche Prophet Jesaja angekündigt hat: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“

Die Kerzen auf dem Adventskranz sollen auf das Licht hinweisen, das in der Finsternis leuchtet. So sind sie Vorboten weihnachtlicher Freude, die am Heiligen Abend mit dem Weihnachtsbaum ihren Höhepunkt findet. So hat es sich Johann Hinrich Wichern, der Begründer der evangelischen Inneren Mission und des Rauhen Hauses in Hamburg, vorgestellt. Er hat den grünen Kranz in christlichen Häusern und etwas später auch in den Kirchen „salonfähig“ gemacht. Er entzündete allerdings noch – dem Adventskalender gleich – ab dem 1. Dezember jeden tag eine neue Kerze. Für diese Kerzenfülle gab Wichern die Anfertigung eines Holzreifens von etwa zwei Metern Durchmesser in Auftrag. Die Mitarbeiter Wicherns übernahmen die Idee des Adventskranzes zunächst in ihren eigenen Häusern und Gemeinden, so dass sich diese Sitte nach und nach im protestantischen Norddeutschland verbreitete. Der aus Tannengrün geflochtene Kranz war dann allerdings nur noch bescheiden mit vier dicken weißen, roten oder violetten Kerzen bestückt - für jeden Adventssonntag eine.

So wird die Hoffnung konkret: Von Woche zu Woche wird es eine Kerze heller, in den Fenstern leuchten schöne Lichtbogen und auf den Weihnachtsmärkten werden Kerzen verkauft... Bis es dann hell erstrahlt, das „große Licht“, das über all denen scheint, die im finstern Land wohnen.

Nichtsdestotrotz: Die alte Regel – „Messer, Gabel, Scher’ und Licht, sind für kleine Kinder nicht(s)“ – gilt auch im Advent. Die Erfahrung zeigt: Wer mit Messer und Gabel essen kann, muss noch nicht unbedingt die Kerzen an einem Adventskranz entzünden können. Und deshalb ist es allemal besser die beiden warten, bis die Eltern wach sind – und sie gemeinsam zwei Kerzen am Adventskranz entzünden.