Aus dem Dunkel ins Licht der neuen Freiheit

Museum in Württemberg erinnert an die bewegte Geschichte der Waldenser

27. November 2006


Lange Zeit mussten sie in ihren dunklen Bergtälern leben. Über Jahrhunderte waren einige wenige Orte in den Cottischen Alpen an der heutigen Grenze zwischen Frankreich und Italien ihre Zuflucht. "Lux lucet in tenebris" - das Licht leuchtet in der Finsternis - haben sich die Waldenser als Inschrift für ihr Wappen gewählt. Die Stelle aus dem ersten Kapitel des Johannesevangeliums beschreibt treffend ihr Selbstgefühl und ihren unbändigen Überlebenswillen. Die kleine protestantische Glaubensgemeinschaft aus dem Piemont überstand Verfolgung, Vertreibung und Flucht und bewahrte in der Diaspora lange Zeit ihre religiöse und kulturelle Eigenart. Das Waldensermuseum im württembergischen Ötisheim-Schönenberg bei Maulbronn erinnert an die bewegte, mehr als 700-jährige Geschichte einer protestantischen Gemeinschaft, die lange vor Martin Luther (1483-1546) die Bibel als höchste Autorität anerkannte. "Bei den Waldensern handelt es sich um die einzige 'häretische' Bewegung aus dem Hochmittelalter, die sich bis zur Reformationszeit behaupten konnte", sagt der Historiker und Waldenser-Kenner Albert de Lange. Heute zählt die italienische Waldenserkirche rund 21.000 Mitglieder. Im Land des Papstes gilt sie als eine wichtige Stimme des Protestantismus.

Die 1936 gegründete Deutsche Waldenservereinigung unterhält in Ötisheim-Schönenberg im Enzkreis das ehemalige Wohnhaus des französischen Pfarrers Henri Arnaud (1643-1721), der 1699 rund 3.000 Waldenser ins deutsche Exil führte. In dem 1702 erbauten Fachwerkhaus sind ein Museum, eine Bibliothek und die Geschäftsstelle der Vereinigung untergebracht. In der angrenzenden Kirche befindet sich das Grab von Arnaud. Der rund 1.100 Mitglieder zählenden Deutschen Waldenservereinigung gehören nicht nur Nachfahren der Glaubensflüchtlinge in Deutschland, sondern auch viele Freunde der italienischen Waldenser und Liebhaber der Waldensergeschichte an, erzählt der Vorsitzende Herbert Temme. "Wir bewahren ein Stück des vorreformatorischen Erbes unserer evangelischen Kirche." Waldenser wurden die Anhänger von Valdes aus Lyon (geboren um 1140, gestorben nach 1206) genannt, der um 1173 eine Bewegung von Wanderpredigern gründete. Der wohlhabende Kaufmann ließ Teile der lateinischen Bibel in seine südfranzösische Volkssprache übersetzen.

Valdes, der auch Petrus Waldus genannt wird, und sein Kreis wollten als "Arme Christi" so leben, wie Jesus es von seinen Aposteln in der Bergpredigt forderte. Die Waldenser lehnten den Eid und Gewaltanwendung ab. Im 13. und 14. Jahrhundert verbreitete sich die Waldenserbewegung über weite Teile Europas. Das radikale Verständnis von der Gefolgschaft Jesu Christi brachte die christliche Bewegung in Konfrontation mit der römisch-katholischen Kirche. Der Vatikan verfolgte die Waldenser als Ketzer und drängte sie während des 15. Jahrhunderts durch die Inquisition zurück. Im Jahr 1532 schlossen sich die Waldenser der schweizerischen Reformation an und gründeten um 1560 eine reformierte Kirche. Die Trennung von der katholischen Kirche führte zu weiteren blutigen Verfolgungen. Unter dem "Sonnenkönig" Ludwig XIV. wurden die Waldenser in Frankreich zur Rückkehr in die Kirche gezwungen, die Pfarrer wurden ausgewiesen. Viele Waldenser flüchteten.

Waldenser aus Piemont kehrten 1689 mit Waffengewalt zurück. Bis heute gedenken die italienischen Waldensergemeinden der "Glorreichen Rückkehr" unter der Führung des Pfarrers Arnaud. Schließlich durften sie ihre Konfession ausüben, wurden aber von ihrer piemontesischen Umgebung isoliert. Rund 3.000 Waldenser französischer Herkunft wurden 1698 vom Herzog von Savoyen ausgewiesen. Im Jahr darauf fanden sie unter der Führung Arnauds Aufnahme in Deutschland, das unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) und des Pfälzischen Erbfolgekrieges litt. Um den Wiederaufbau ihrer zerstörten Gebiete voranzutreiben, waren die Landesherren an den Exilanten interessiert, sagt Temme.

Vor allem in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, im Herzogtum Württemberg und in der Markgrafschaft Baden-Durlach gründeten sie mit Unterstützung der evangelischen Landesfürsten Kolonien. Sie erhielten großzügige Privilegien für ihre französischsprachigen reformierten Inseln: das Recht auf Selbstverwaltung, die Befreiung von Steuern, Frondiensten und Zunftzwang. Seit dem 19. Jahrhundert sind die Waldenser in verschiedene evangelische Landeskirchen vollständig integriert. Ihre Nachfahren pflegen bis heute das historische Erbe und unterhalten enge Verbindungen zu den Waldensern in Italien und Südamerika.

Das Waldenser-Museum im Henri-Arnaud-Haus ist dienstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen können vereinbart werden bei der Deutschen Waldenservereinigung, 75443 Ötisheim-Schönenberg, Telefon: 0 70 41/74 36, E-Mail: info@waldenser.de

Die Deutsche Waldenservereinigung