1918 – 1938 – 1989 – der 9. November

Ein Tag deutscher Geschichte

09. November 2006


Der 9. November ist ein facettenreiches Datum in der deutschen Geschichte. Mit ihm sind Hoffnung und Freude ebenso verbunden wie die Erinnerung an abgrundtiefen Schrecken und menschenverachtende Grausamkeit. Dieser Tag spiegelt wie kein anderer den mühsamen Weg zur Demokratie und in die Verantwortung, die mit der Freiheit verbunden ist.

Am 9. November 1918 wurde in Berlin die Republik ausgerufen. Der Erste Weltkrieg war verloren, der deutsche Kaiser musste abdanken und die Hoffnung auf eine Mitbestimmung des Volkes an der künftigen politischen Entwicklung erfüllte die Menschen. Das Fenster zur Demokratie war geöffnet, der Blick ging in eine Zukunft, in der die Menschen in Würde und Freiheit leben und das Wohl des Gemeinwesens gestalten sollten.

Am 9. November 1938 brannten die Synagogen. Jüdisches Eigentum wurde von den Nationalsozialisten in Flammen gesetzt, um die „Rassenverfolgung“ auch durch die Vernichtung von Hab und Gut deutlich zu machen. Die Erinnerung daran darf nicht verblassen. Wie erschreckend aktuell sie sind, zeigen die Erkenntnisse einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Nach dieser Studie sehnen sich rund 15 Prozent der Bundesbürger nach einer dominanten Führungsfigur in der Politik, die mit starker Hand regiert. Antisemitische und ausländerfeindliche Einstellungen sind nicht nur am Rand der Gesellschaft vertreten, sondern weit verbreitet. Wenn man in Betracht zieht, dass im Nahen Osten die Leugnung des Holocaust bis in höchste Regierungs- und Religionsvertreterkreise salonfähig wird, kann die Konsequenz nur heißen: Wir dürfen nicht nachlassen in unserer Verantwortung für die Würde jedes Menschen.

Am 9. November 1989 und in den Tagen danach erfüllte Jubel die Straßen deutscher Städte. Noch kurz zuvor wäre undenkbar gewesen, was in der Nacht vom 9. auf den 10. November eintrat. Die Berliner Mauer wurde geöffnet, innerhalb kürzester Zeit verwandelte sich die Stadt in ein riesiges Straßenfest. Hupende Autokorsos, tanzende Menschen auf der Mauer am Brandenburger Tor, an der Stunden zuvor noch hätte geschossen werden können: Das sind unvergessliche Bilder. Friedensgebete vor allem in evangelischen Kirchen waren dem vorausgegangen. Auf den Demonstrationen mit Kerzen war der Ruf ertönt: „Keine Gewalt – denn selig sind die Friedfertigen“, wie es in der Bergpredigt Jesu heißt. All das trug dazu bei, dass sich diese Revolution vollzog, ohne einen Tropfen Blut zu fordern.

1918, 1938, 1989: durch diese drei Jahreszahlen wird der 9. November zu einem deutschen Datum. Er symbolisiert den mühsamen Weg zur Demokratie. Er hält im Bewusstsein, wie alle Humanität in den Gewaltverbrechen der nationalsozialistischen Zeit mit Füßen getreten wurde.  Er erinnert daran, zu welcher Freude die wieder gewonnene Einheit unseres Landes in Freiheit führte. Das ist ein spannungsvoller Zusammenklang. Gerade so ist der 9. November ein Kristallisationspunkt für die Einsicht, dass man Freiheit nicht nur genießen kann, sondern auch verantworten muss. Auch wenn heute manchmal von Politikverdrossenheit die Rede ist. In keiner Staatsform hat jede und jeder von uns mehr Mitspracherecht, als in der Demokratie.