Die Seele der Protestanten in Nizza

Schwäbischer Pfarrer gründete vor 150 Jahren deutschsprachige Gemeinde

06. Oktober 2006


Der Seelsorger scharte eine illustre Gemeinde um sich. Im Auftrag der Basler Mission sammelte ein evangelischer Pfarrer aus Schwaben im südfranzösischen Nizza im 19. Jahrhundert eine Gemeinde aus deutschen und schweizerischen Dienstboten und Adligen. Selbst die Könige von Württemberg und Schweden kamen. Vor 150 Jahren hielt Philipp Friedrich Mader den ersten deutschsprachigen Gottesdienst in Nizza. Zehn Jahre später wurde die aus Spenden finanzierte Deutsche Kirche eingeweiht.

In Nizza wurde kürzlich an den Gründer und langjährigen Leiter der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde erinnert. Außerdem wurde Hans Binders Biografie "Philipp Friedrich Mader (1832 - 1917). Prediger und Seelsorger für Dienstboten und Majestäten in Nizza an der französischen Riviera" (Herausgegeben von Helmut Mader Bd. 5, 2006, 264 S., 24.90 EUR, gb., ISBN 3-8258-9833-4 Reihe "Vergessene Theologen", LIT Verlag Münster) vorgestellt. Das Geleitwort schrieb der württembergische Landesbischof Frank Otfried July.

Lange war der württembergische Pfarrer, als Seele der Protestanten in Nizza bekannt, vergessen. 80 Jahre nach seinem Tod hat man ihn in seinem Heimatort Mägerkingen bei Reutlingen in Baden-Württemberg geehrt. An seinem Geburtshaus im Stadtteil Trochtelfingen wurde 1997 eine Gedenktafel angebracht. Mader wurde als sechstes von 13 Kindern einer pietistischen Familie geboren. Da er in die äußere Mission wollte, machte er eine Ausbildung im Basler Missionshaus.

Doch sein labiler Gesundheitszustand gefährdete den Plan. Die Ärzte lehnten es ab, Mader außerhalb Europas einzusetzen. Da bat ein Hotelbesitzer aus Nizza bei der Basler Mission um Entsendung eines deutschsprachigen Pfarrers, um deutsche Urlauber zu betreuen. Im damals italienischen Nizza hielt Mader zunächst Andachten an Sonntagen. Seinen Lebensunterhalt musste er mit Privatunterricht bestreiten. Bekannter wurde der Pfarrer erst durch einen Besuch des württembergischen Königs Wilhelm I., der im Winter 1858/59 in Nizza weilte und durch seine demonstrativen Gottesdienstbesuche die öffentliche Aufmerksamkeit auf Maders Gemeinde lenkte.

In Württemberg sorgte der König dafür, dass Mader ohne Prüfung in den Kirchendienst übernommen und für seine Arbeit in Nizza freigestellt wurde. Dort hatte es der deutsche Pfarrer nicht leicht. 1860 kam Nizza mit der Grafschaft Sardinien an Frankreich. Maders Gemeinde war jetzt dem Konsistorium in Paris unterstellt.

Mit Kollektenreisen und Bettelbriefen sammelte Mader Geld für eine eigene Kirche. Doch nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 schlug dem Deutschen offene Feindschaft entgegen. Deshalb zog er über die Grenze nach Italien und betreute von dort seine Gemeinde - bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Kirche und Pfarrhaus wurden als feindliches Eigentum beschlagnahmt. Mader lebte bis zu seinem Tod am 2. Juni 1917 in ärmlichen Verhältnissen in Italien. Er ist in Lucca bei Pisa begraben.

In Maders Kirche feiert heute die lutherische Gemeinde Gottesdienste in deutscher und französischer Sprache. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will auch künftig das Projekt einer deutsch-französischen Gemeinde in Nizza durch die Entsendung von Ruhestandspfarrern unterstützen.

Einen ungewöhnlichen Weg nahm auch Maders Sohn Friedrich Wilhelm, der als schwäbischer Karl May bekannt wurde. 1866 in Nizza geboren, wurde er wie sein Vater Pfarrer. Von 1897 bis 1917 betreute er die evangelische Gemeinde in Eschelbach, einem Teilort der Stadt Neuenstein (Hohenlohekreis) in Baden-Württemberg. Doch den leidenschaftlichen Schreiber hielt es nicht im Pfarramt. Er wurde freier Schriftsteller in Stuttgart und verfasste zunächst populäre Abenteuerromane. Mit dem Zukunftsroman "Wunderwelten" betrat er Neuland und wurde so zum heute fast vergessenen Mitbegründer der Science-Fiction-Literatur in Deutschland.

Evangelisch-Lutherische Gemeinde in Nizza