Die Kirche und das Volk Israel

Im August feiern Christen den Israelsonntag

18. August 2006


Israel, der Libanon und der Krieg im Nahen Osten prägen seit Wochen die Nachrichtensendungen in aller Welt. Berichte von Flüchtlingen, von Tod und Zerstörung oder seit ein paar Tagen die Hoffnung, dass der Waffenstillstand halten möge, bewegen die Menschen auch in Deutschland. In keiner anderen Weltregion sind Religion, Politik und nicht zuletzt Geschichte so eng verbunden wie im Nahen Osten. Entsprechend emotional sind vielfach die Diskussionen über Schuldfrage, Verhältnismäßigkeit der Reaktionen, Aggressoren und Opfer.

Jenseits aller Tagesaktualität feiern Christinnen und Christen am kommenden Sonntag den Israelsonntag. Er wurde schon in der Alten Kirche, im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus, begangen. An diesem Tag erinnert die Kirche an die Treue Gottes zu seinem Volk und an ihre eigenen Verwandtschaft mit dem Judentum. War der Tag noch im vergangenen Jahrhundert geprägt von offener oder verdeckter Judenfeindlichkeit, wird seine Aufgabe heute darin gesehen, der besonderen Zusammengehörigkeit von christlichem und jüdischem Glauben, aber auch des christlichen Antijudaismus und der Gräuel des Holocausts zu gedenken.

Nach jüdischem Kalender wurde der Tempel in Jerusalem am 9. Aw zerstört, in unsere Zeitrechnung übertragen fällt dieses Datum in die erste Hälfte des August. Das Judentum verbindet die Erinnerung an die Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70 nach Christus mit dem Gedenken an die Zerstörung des ersten Tempels mehr als sechshundert Jahre vorher, im Jahr 587 vor Christi Geburt. Die Eroberung des Landes, die Zerstörung des Tempels und die Vernichtungserfahrungen des Volkes prägen seitdem das Gedächtnis Israels. Der diesjährige Israelsonntag fällt in eine Zeit neuer Bedrohung durch fundamentalistische Kräfte im Nahen Osten. Zugleich hat der Kampf Israels gegen die Hisbollah neuen Hass gegen Israel erzeugt.

Der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, wünscht sich anlässlich dieses Israelsonntags, eine Parteinahme für die Menschen des Nahen Ostens – nicht für die eine oder andere Seite, sondern für alle Menschen. So wendet sich auch der Fürbitten-Entwurf des Jerusalemer Propstes Uwe Gräbe an „alle Menschen und Völker des Nahen Ostens“:

„Wir beten für alle Menschen und Völker im Nahen Osten, insbesondere für die, die durch die gegenwärtigen Kampfhandlungen an Leib und Seele verwundet sind, und für die, die den Verlust von Angehörigen und Freunden beklagen.

Wir beten darum, dass sie getröstet werden und Wege finden, das Leiden zu bewältigen.

Wir beten für die Verantwortlichen in Politik und Militär, dass sie die Weisheit entwickeln, andere als militärische Lösungen für den gegenwärtigen Konflikt zu finden.

Wir beten für die Christinnen und Christen in den betroffenen Ländern, dass sie nicht müde werden, sich an die Seite der Opfer zu stellen, ihr Leiden zu lindern, die Friedensbotschaft Jesu Christi zu verkündigen und geschützte Räume zu bieten, in denen sich Angehörige der verfeindeten Parteien begegnen können.

Wir beten für Juden, Christen und Muslime, dass sie das Friedenspotential ihrer jeweiligen Religion immer wieder neu entdecken und für ihr Zusammenleben mit anderen fruchtbar machen.

Wir beten für uns selbst, dass wir angesichts von Krieg und Gewalt nicht abstumpfen und nicht einseitig werden, sondern uns anrühren lassen vom Leiden unserer Geschwister, unsere Ressourcen teilen und uns einsetzen für einen Frieden, der allen gerecht wird.

Wir beten für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten, bei uns selbst und in der Welt.

Wir bitten Gott um seinen Frieden, der höher ist als alle menschliche Vernunft.

Amen.“