Gegen Folter und Unterdrückung

Der neue UN-Menschenrechtsrat tagt erstmals in Genf

16. Juni 2006


Es geschieht in China, im Sudan, in Kuba oder in Weißrussland: In vielen Ländern der Erde verletzen Regierungen, Rebellen oder Soldaten grundlegende Menschenrechte. Jetzt soll eine neue Institution der Vereinten Nationen den Kampf gegen Folter, Unterdrückung und Vertreibung aufnehmen: Der neue UN-Menschenrechtsrat tritt nach einer turbulenten Gründungsphase am Montag zum ersten Mal in Genf zusammen.

Zum feierlichen Auftakt werden UN-Generalsekretär Kofi Annan, Regierungschefs und Außenminister erwartet. Annan setzt große Hoffnungen in das Gremium. "Der Rat symbolisiert den Neubeginn im Kampf für die Menschenrechte der Vereinten Nationen", sagte er.

Doch viele Aktivisten und Diplomaten schlagen kritische Töne an. "Schwarze Schafe" könnten unter den Staaten im Menschenrechtsrat dominieren, so die Befürchtung. Tatsächlich wählte die UN-Generalversammlung Aserbaidschan, China, Russland, Pakistan, Saudi-Arabien und Kuba in den 47-Länder-Rat. Etablierte Demokratien wie Deutschland oder Frankreich hingegen sind in der Minderheit.

Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" zeigt sich denn auch enttäuscht. "Einige Länder hätten nicht gewählt werden dürfen", sagte Sprecherin Mariette Grange in Genf. Russland trete in Tschetschenien die Menschenrechte mit Füßen. Und Peking halte den traurigen Weltrekord an Hinrichtungen. Vermutlich werde China versuchen, eine wirksame Arbeit im Menschenrechtsrat zu untergraben.

Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, Barabara Lochbihler, mahnt dagegen, die politischen Realitäten zu sehen. Die Erwartung, alle Staaten mit dunkler Menschenrechtsbilanz von dem Rat fernhalten zu können, nannte sie illusorisch. Ein Botschafter eines EU-Landes bei der UN in Genf betonte, es sei besser die "Schwarzen Schafe" im Rat zu haben. Nur so könnten die westlichen Demokratien auf die Missetäter einwirken.

Im ersten Jahr sollen die gewählten Mitglieder über die Kompetenzen des neuen Rates entscheiden. Eins ist schon klar: Der Rat wird keine Sanktionen gegen Staaten verhängen dürfen. Der öffentliche Protest muss genügen. "Afrika und Asien schicken 26 Staaten in den neuen Rat, das ist eine Mehrheit", sagte ein westlicher Diplomat. Afrikaner und Asiaten hätten oft ein anderes Verständnis der Menschenrechte als Europäer. Die "afrikanisch-asiatische Koalition" werde mit Hilfe von Ländern wie Kuba dafür sorgen, dem Rat keine starken Waffen zu geben.

Eine Gefahr, die auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, erkennt. Sie verlangt, der Rat müsse die Menschenrechtslage in allen UN-Mitgliedern zumindest gründlich kontrollieren. "Nur so kann das neue Gremium zu einer Erfolgsgeschichte werden", sagt sie. Dazu gehört, dass auch Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen den Terror untersucht werden, etwa durch die USA.

Dabei vermissen die westlichen Staaten die Großmacht USA im Menschenrechtsrat. Washington stellte sich nicht zur Wahl. "Der Menschenrechtsrat ist keine echte Verbesserung gegenüber der alten UN-Menschenrechtskommission", kritisierte der amerikanische UN-Botschafter John Bolton.

Die alte Kommission war in Verruf geraten, weil Unrechtsregime und Großmächte in dem Gremium sich gegenseitig vor einer Verurteilung schützten. Als gar eine Botschafterin des libyschen Diktators Muammar el Gaddafi den Vorsitz der Kommission übernahm, war die Glaubwürdigkeit vollends dahin. Selbst der diplomatische Kofi Annan klagte die Kommission an: Sie habe einen "Schatten" auf die gesamten Vereinten Nationen geworfen.