"Bin ich zu klein für Jesus?"

Kindergottesdienst-Gesamttagung in Hannover

26. Mai 2006


Karin Wunderlich (35) und Sabine Krützmann (45) haben für ihren Kindergottesdienst ein klares Ziel vor Augen: "Wir brauchen noch mehr Kinder." Sechs bis sieben Jungen und Mädchen kommen zurzeit in Bleckede bei Lüneburg in die Kinderkirche, die seit einem Jahr im Aufbau ist. Ein großes Musical könnte mehr Kinder anlocken, überlegen sie. "Oder kleine Geschenke", lacht die Büroangestellte Sabine Krützmann. Bei der evangelischen Gesamttagung für Kindergottesdienst in Hannover tauschen beide gemeinsam mit 3.000 anderen Teilnehmern noch bis Sonntag Ideen aus und suchen nach neuen Konzepten.

Zuspruch erhalten sie bei dem viertägigen Treffen unter anderem von der hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann. "Der Kindergottesdienst darf nicht nur ein Nebenprodukt des Erwachsenengottesdienstes sein", fordert sie. "Kinder haben ein Recht auf eigene Formen. Sie sind nicht nur irgendwie niedlich, sondern haben existenzielle Fragen." Vor den Kinderfragen könnten sich Erwachsene nicht in Formeln oder fromme Sprüche flüchten, sagt Käßmann die selbst vier Töchter hat. "Sie müssen zeigen, wo sie stehen." Sie selbst sei in ihrer Jugend durch die Mitarbeit im Kindergottesdienst geprägt worden, berichtet die Bischöfin.

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Berliner Bischof Wolfgang Huber, unterstreicht die Bedeutung des Kindergottesdienstes. Seine Mitarbeiter seien eine der größten Gruppen von Ehrenamtlichen in der Kirche: "Der Kindergottesdienst ist ein Herzstück des Gemeindeaufbaus, deshalb gehört er ins Herz jeder Gemeinde."

Nach Angaben des Kindergottesdienst-Gesamtverbandes in der EKD gestalten derzeit in Deutschland rund 60.000 Ehrenamtliche in 11.200 Arbeitskreisen evangelische Kindergottesdienste. Sie erreichen damit Woche für Woche rund 190.000 Kinder, das sind zehn Prozent aller getauften Kinder. Durch das "Bündnis für Erziehung" der Bundesfamilienministerin habe die Kinderkirche neue Aufmerksamkeit gewonnen, sagt Pastor Erhard Reschke-Rank aus Aachen, der den Kongress mitorganisiert hat: "Religion und Erziehung ist eine Frage, die im Moment dran ist."

In mehr als 100 Arbeitsgruppen, Bibelarbeiten, Seminaren und Vorträgen geht es bei der alle vier Jahre stattfindenden Tagung um Fragen wie "Erzählen kann man lernen", "Bin ich zu klein für Jesus?" oder "Immer das alte Lied?" In einer "Markthalle" stellen Initiativen und Verlage ihre Materialien vor: biegsame Erzählpuppen oder Entwürfe für einen alternativen Gottesdienst.

Es sind überwiegend Frauen, die sich hier engagieren. "Für uns stellt sich die Frage: Wie kriegen wir mehr Männer in den Kindergottesdienst?", sagt Pastor Reschke-Rank. Denn Jungen bräuchten Männer als Ansprechpartner. Derzeit seien Männer unter den ehrenamtlich Mitarbeitenden eine Rarität: Ihr Anteil liege bei etwa einem Prozent.

Matthias Mladek (34) ist einer von ihnen. Der Personal-Sachbearbeiter aus Hagen ist vor einem Jahr wieder in das Kindergottesdienst-Team eingestiegen, in dem er nach seiner Konfirmation schon einmal eine Zeit lang aktiv war. "Ich finde es wichtig, den Kindern den christlichen Glauben nahe zu bringen, weil das in vielen Familien nicht mehr passiert", erzählt er. "Wenn wir das als Kirche nicht tun, woher soll es dann kommen?"