Der Reiz des Unplanbaren

Doch Fußball ist keine Religion

03. Mai 2006


Nach dem Spiel waren sich alle einig: Wenn es nach den Chancen gegangen wäre, hätte Hannover 96 gegen Borussia Dortmund gewonnen. Doch die Gastmannschaft aus Westfalen hat mit zwei Toren in der zweiten Halbzeit nicht nur das eine Tor der „Roten“ aus der ersten Halbzeit wett gemacht, sondern trotz der vielen Chancen der Heimmannschaft die drei Punkte aus der AWD-Arena entführt. Fußball sei ein Gleichnis für das Leben, wurde kurz vor dem Spiel am roten Tisch in der Marktkirche festgestellt. Die vier Gäste, die bei Tacheles diskutiert haben, wie es ist „wenn Gott die Flanken schlägt“ konnten das Auf und Ab des Fußballlebens dann hautnah bei den Dienstagsspielen der Bundesliga erleben. Der Fußballreporter Günther Koch, dessen Stimme in den Hörfunkschaltungen an Bundesliganachmittagen schon Kultcharakter hat, war mit einem Ohr in Nürnberg. Dass „die Clubberer“ nach einem 1:2 Rückstand noch 5:2 gewannen, hat ihm den Abend gerettet. Präses Alfred Buß von der Evangelischen Kirche in Westfalen konnte mit den Fußballgästen aus Dortmund die drei Punkte mit nach Hause nehmen. Der Regensburger Theologieprofessor Andreas Merkt und der Hamburger Schauspielintendant Ulrich Khuon warteten dabei gelassen auf die zweite Hälfte des Spieltags am Mittwoch: Da stehen dann die beiden Mannschaften, für die ihr Herz schlägt, gegeneinander auf dem Platz: Bayern München gegen VfB Stuttgart.

Was Religion und Fußball vereinigt und trennt haben die vier mit den Moderatoren Jan Dieckmann und Hanna Legatis in der Marktkirche in Hannover diskutiert. Die deutlichste Definition hat dabei der Leitende Geistliche aus Westfalen gefunden: „Beim Fußball bekommst du erst einen Namen, wenn du was geleistet hast.“ Das ist im christlichen Glauben, der davon überzeugt ist, dass alle Namen im Himmel geschrieben sind, anders. So verstanden ist der Fußball eben eine Selbstinszenierung, der Glaube wird von einem „ganz anderen“ geschenkt. Andreas Merkt ist sich sicher, der Fußball führt manchmal in die „Tiefen der Existenz“ und entwickelt ein „Gefühl für die Transzendenz“, doch trotzdem – das weiß der Autor des Buches „Fußballgott“ – ist Fußball keine Religion. Denn das Fußballspiel werfe damit Fragen auf, die dieser Sport nicht beantworten kann. Wie im Theater, wie in der Oper, wie in der Musik und wie in allen darstellenden Künsten berühre auch der Sport und damit auch der Fußball „Momente des Heiligen“, vergleicht der Theatermann Ulrich Khuon. In der sich säkularisiernden Welt gebe es das Bedürfnis das Heilige innerhalb der Welt zu suchen. Doch er zweifelt, dass es wirklich tragen kann wenn sich eine Gesellschaft eine Idee von sich selbst gibt.

Die integrative Funktion des Fußballs in der Begegnung von Menschen unterschiedlicher Abstammung, unterschiedlicher sozialer Zugehörigkeit und unterschiedlicher Bildung betonte Günther Koch. Gerade die guten Fangruppen würden sich dagegen wehren, wenn es zu rassistischen oder gewalttätigen Ausschreitungen im Stadion komme. Dabei sei durch die Emotionen, die zu jedem Spiel gehören, vor Grenzüberschreitungen gefeit. Und letztendlich überzeige bei jedem Fußballspiel der „Reiz des Unplanbaren“, weiß Alfred Buß. So ist der Fußball ein Gleichnis für das Leben – aber eben keine Religion.

Die Diskussion in der Marktkirche von Hannover wird bei Phoenix ausgestrahlt Tacheles wird ausgestrahlt auf Phoenix am Donnerstag, 4. Mai, um 17 Uhr und am Sonntag, 14. Mai, um 17 Uhr direkt im Anschluss an die Wiederholung des WM-Finales Deutschland gegen Argentinien.

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