Gedenken an Tschernobyl

Opfer brauchen auch weiterhin Hilfe

25. April 2006


„Am 26. April sind wir mit unseren Gedanken und Gebeten bei den Opfern der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Rates der EKD, Landesbischof Christoph Kähler. 20 Jahre nach dem SuperGAU in dem ukrainischen Atomkraftwerk sei klar: „Die Opferstatistiken werden noch Jahrzehnte fortgeschrieben werden müssen.“

Die Schätzungen über die Zahl der Toten in Folge der Strahlenbelastung gehen weit auseinander. Während die Internationale Atomenergiebehörde und die Weltgesundheitsorganisation rund 50 Todesfälle direkt der Strahlung zuordnen, gehen westliche Experten davon aus, dass bisher etwa 30.000 Menschen unmittelbar an den Folgen der hohen Strahlendosis gestorben sind. Nicht berücksichtigt in dieser "Opferstatistik" sind die vielen tausend Menschen, die in Folge des Atomunglücks an Schilddrüsenkrebs oder Leukämie starben. „Besonders betroffen sind die Kinder, die für radioaktive Strahlung ausgesprochen anfällig sind“, so Landesbischof Kähler. Darum seien die vielen Initiativen so wichtig, die mit hohem Einsatz helfen. „Wir dürfen die Opfer angesichts der in den vergangenen 20 Jahren dramatisch gestiegenen Krebsraten in Weißrussland und der Ukraine nicht aus dem Blick verlieren. Sie brauchen auch weiterhin Hilfe.“

In einem Brief an alle Gemeinden der hannoverschen Landeskirche hat Landesbischöfin Margot Käßmann an das Reaktorunglück von Tschernobyl erinnert und darum gebeten, in den Gottesdiensten am 23. April oder in einzelnen Aktionen am 26. April dieser Katastrophe zu gedenken. Wie viele andere Menschen hat auch die Landesbischöfin persönliche Erinnerungen an die Tage nach dem Reaktorunfall: „Ich selbst habe auf der Rückfahrt vom Krankenhaus mit unseren neugeborenen Zwillingen erstmals im Radio etwas davon gehört. Am 1. Mai schien die Sonne, die Babys lagen friedlich auf einer Decke auf dem Rasen, die ältere Schwester spielte im Sandkasten. Abends in den Nachrichten hieß es, das sei das Schlimmste gewesen, was wir hätten tun können. Sand und Rasen waren verstrahlt. „Die Wolke“ war unsichtbar über das Land gezogen.“  Käßmann bezeichnete die Katastrophe als Mahnung und Lehre. „Als Christinnen und Christen können wir nur immer wieder zur Demut mahnen und ein realistisches Menschenbild aufzeigen, das um Versagen und Verführung weiß, das klar macht: der Mensch ist Geschöpf und nicht Gott.“ Wichtig sei aber auch der Blick auf unsere Energieverwendung. Der jüngste Energiegipfel habe gezeigt, dass hier ein Umdenken dringend notwendig sei. Bei der Atomenergie gehe es nicht nur um eine politische Frage, sondern auch um die Verantwortung für die Schöpfung.

Der Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, Axel Noack, warnte in Erinnerung an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor den Gefahren der Kernenergie. Er fordert dazu auf, am Atomausstieg festzuhalten, in die Entwicklung erneuerbarer Energieformen zu investieren und sparsamer mit Ressourcen zu haushalten. "Nicht nur wir Christinnen und Christen sind dazu aufgefordert, uns für die Bewahrung der Welt – die Schöpfung – einzusetzen. Dieser Verantwortung können wir alle aber nur gerecht werden, wenn wir auf Techniken verzichten, die unüberschaubare und irreversible Folgen haben.“ Die Katastrophe von Tschernobyl habe gezeigt, dass die Gefahren der Kernenergie nicht beherrschbar sind.

In vielen Landeskirchen werden Veranstaltungen zum Gedenken an die Reaktorkatastrophe organisiert. Ein zentraler Gedenkgottesdienst findet am 26. April um 17 Uhr in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin statt. Die Predigt hält der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber.

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