Das Haupt voll Blut und Wunden

Aktuelle Gedanken zum Karfreitag

13. April 2006


„O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret, gegrüßet seist du mir.“ So klingt es in einem der bekanntesten Karfreitagslieder, das in vielen Gottesdiensten am Karfreitag angestimmt wird. Der Text des protestantischen Dichters Paul Gerhardt zeichnet die Grausamkeit des Todes Jesu nach.

„Du edles Angesichte, davor sonst schrickt und scheut das große Weltgewichte: wie bist du so bespeit, wie bist du so erbleichet! Wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht'?“ Christen gehen während der Passionszeit und am Karfreitag in Gedanken den Weg zum Kreuz mit Jesus: Auf der via dolorosa, auf der er sein Kreuz trug. Sie stehen bei seinem Kreuz – von Blut überströmt wie schon der Platz, auf dem er gegeißelt wurde. Am Karfreitag wurde Jesus von Nazareth das Opfer einer schrecklichen Hinrichtung; die grausamste Art von Todesstrafe, die man in jener Zeit kannte, wurde an ihm vollzogen.

„Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.“ Das Besondere des Sterbens Jesu liegt nicht in der Grausamkeit seines Todes, auch nicht in der Menge der ertragenen Schläge oder der durchgestandenen Quälerein. Worauf es ankommt, ist, dass Gott in Christus die Welt mit sich selber versöhnt. Mit seinem schuldlosen, gewaltsamen Sterben am Kreuz richtet Jesus unter uns das Wort von der Versöhnung auf. Darauf kommt es am Karfreitag an. Durch ihn wird das Kreuz zum Zeichen der Versöhnung. So deutet es der Apostel Paulus, der erste Theologe des Kreuzes: "Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung."

„Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deines Todes Schmerzen, da du's so gut gemeint. Ach gib, daß ich mich halte zu dir und deiner Treu und, wenn ich nun erkalte, in dir mein Ende sei.“ Seit dem grausamen Tod Jesu am Kreuz auf Golgatha gibt es keinen Ort im Leben und im Sterben, in den Gottes Verheißung nicht reichen könnte. Die Botschaft des Karfreitag heißt: Alle können sich dem anvertrauen, der für die Versöhnung der Menschen gestorben ist. Deshalb kapitulieren Christen nicht, wo ideologischer Starrsinn das Denken einengt oder Gewalt zur Alltäglichkeit wird. Der römische Hauptmann unter dem Kreuz erkennt plötzlich: „Dieser ist Gottes Sohn“. Wer mit dem Hauptmann dies in dem Gekreuzigten erkennt, der hofft auf Versöhnung. Und damit ändert sich der Blickwinkel auf die Welt. Die Chancen gewaltfreier Lösungen werden deutlich und Vertrauen übt sich neu ein.

„Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.“ Mitten unter den Menschen, für alle sichtbar auf dem Hügel Golgatha in Jerusalem steht das Kreuz: Ein Todesinstrument, ein Folterwerkzeug – und das Zeichen des Lebens. Mitten unter den Menschen steht es als Zeichen der Versöhnung.