Chancengerechtigkeit bleibt eine weltweite Herausforderung

Internationaler Frauentag erinnert an Machtgefälle zwischen den Geschlechtern

07. März 2006


"Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit sind unverzichtbare Elemente einer demokratischen und humanen Gesellschaft. Daran erinnert der Internationale Frauentag. Frauen in aller Welt fordern seit vielen Jahrzehnten an diesem Tag öffentlich ihre Rechte ein. Ihrem Einsatz es zu verdanken, dass in unserem Land diskriminierende Vorschriften und Verfahren kaum noch vorhanden sind." Diesen Gruß entrichtet der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, zum 8. März 2006.

Dabei weist er ausdrücklich darauf hin, dass in der globalisierten Welt in neues Machtgefälle zwischen den Geschlechtern entstanden. Dabei lenkt der Ratsvorsitzende den Blick auf Fragen der Zwangsprostitution. Es sei erschütternd, "dass jährlich hunderttausende Frauen von organisierten Menschenhändlern mit falschen Versprechungen aus ihrer Heimat gelockt und in den reichen Ländern dieser Welt zur Prostitution gezwungen werden. Unser Land gilt dabei als eines der Hauptziel- und -durchreiseländer; die Befürchtung, dass zur Fußballweltmeisterschaft in wenigen Wochen verstärkt Zwangsprostituierte nach Deutschland eingeschleust werden sollen, lässt dies besonders dringlich ins Bewusstsein treten. Das Mögliche muss getan werden, um derartige Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden, Täter zu bestrafen und Opfer zu schützen. Auch Freier, die sich die Notlage dieser Frauen zunutze machen, müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden."

Aber auch national sieht Wolfgang Huber besondere Herausforderungen: "Die Verwirklichung von Chancengerechtigkeit ist eine bleibende Herausforderung. Unter den Folgen fehlender Gleichstellung leiden nicht nur die direkt Betroffenen, sondern die Gesellschaft insgesamt. Eindrücklich zeigen sich die Folgen gegenwärtig bei der für viele unzureichend ausgestalteten Vereinbarkeit von familiärem und beruflichem Engagement. Es ist unfair, dass vielen Frauen, die ein Leben mit Kindern mit einer erfüllenden Berufstätigkeit vereinbaren möchten, die gesellschaftliche Unterstützung fehlt. Es ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass viele gut ausgebildete junge Frauen keinen anderen Ausweg sehen, als ihren Kinderwunsch immer weiter zu verschieben und ihn damit letztlich in vielen Fällen ganz aufzugeben. Um hier mehr Chancengerechtigkeit zu verwirklichen, sind nicht nur bessere Unterstützungs- und Kinderbetreuungsangebote zu fordern; nötig ist vor allem auch ein Wandel in den Köpfen. Frauen müssen eine echte Wahlfreiheit bei der Gestaltung ihrer Familien- und Erwerbsarbeit haben, ohne dabei durch geschlechtsspezifische Rollenerwartungen behindert oder eingeengt zu werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Männer bei der Familienarbeit und Kindererziehung stärker engagieren als bisher. Erste Ansätze dafür zeigen sich bereits, denn auch die Lebensziele der Männer verändern sich. Viele wünschen sich eine aktivere Vaterrolle. Sie zu ermutigen, ein verändertes Rollenmodell auch im Alltag einzufordern und umzusetzen, sollte zu den Hauptaufgaben der Familien- und Gleichstellungspolitik gehören."

Der "KDA" (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der EKD) erklärt sich zusammen mit einigen anderen kirchlichen Arbeitnehmerorganisationen solidarisch mit der Situation der Arbeitnehmerinnen, die im stetig wachsenden Discountbereich beschäftigt sind, im Einzelhandel, im Vertrieb oder in der Produktion, hier in Deutschland und weltweit.

Allein in Deutschlands drei größten Discountern arbeiten über 100 000 Frauen, die etwa 80 Prozent der gesamten Belegschaft ausmachen, berichtet der KDA. Die große Mehrheit arbeite ohne den Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes, da Initiativen zur Bildung von Betriebsräten in diesen Bereichen oft mit Sanktionen belegt werden. So würden in diesem Bereich reguläre Arbeitsplätze, ausreichende Stellenschlüssel, planbare Arbeitszyklen und vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen werden zunehmend in Frage gestellt, heißt es in der Pressemitteilung des KDA. Ein Klima der Angst bedrohe den gesamten Lebenszusammenhang der Beschäftigten. Familiäre, aber auch soziale und kulturelle Bindungen werden der Verfügbarkeit für den Arbeitgeber untergeordnet. Davon seien die Beschäftigten im Einzelhandel und Vertrieb ebenso betroffen wie in der Produktion in den Entwicklungsländern.