Fünf Tage zwischen den Jahren

Früher: konfessioneller Widerspruch – heute: Zeit der Bilanz

28. Dezember 2005


Die Tage zwischen dem Weihnachtsfest und Neujahr ist eine besondere Zeit: Der Vorbereitungsstress auf das Weihnachtsfest ist vorbei, das alte Jahr geht seinem Ende entgegen und das Neue Jahr ist noch fern. Viele haben in diesen Tagen frei: die Schüler haben Ferien, manche Arbeitnehmer haben Urlaub, andere bummeln ihre Überstunden ab. In den meisten Ämtern ist nur eine Notbesetzung, manche Firmen haben geschlossen. Die Tage zwischen dem 27. und dem 31. Dezember liegen irgendwie "dazwischen" – und so verabreden sich manche für diese Tage: "Wir sehen uns zwischen den Jahren". Die Bezeichnung "zwischen den Jahren" ist zur festen Redensart geworden: Doch wieso heißt es: "zwischen den Jahren"?

Manche behaupten, an dieser Formulierung seien die Evangelischen schuld – oder auch die Katholiken – je nach Standpunkt, Blickwinkel oder Gesangbuch. Hintergrund ist die gregorianische Kalenderreform. Bis ins Mittelalter galt der Kalender, den Julius Cäsar eingeführt hatte, doch den Forschern im Mittelalter – den Mathematikern, den Physikern, den Astronomen – konnten immer genauer feststellen, dass der Kalender nicht mehr stimmte. Irgendwann, so ihre Berechnungen, wird es so weit kommen, dass die Menschen im Frühjahr Weihnachten feiern müssen. So gab es im 16. Jahrhundert unterschiedliche Anstrengungen, einen neuen Kalender einzuführen, der sich an den aktuellen Sonne und Monddaten ausrichtet. Schließlich legte Papst Gregor VIII. 1582 fest, dass dieser neue Kalender – der gregorianische – gelten solle. Erst über hundert Jahre später hat Papst Innozenz XII. Sylvester als letzten Tag des Jahres verbindlich festgelegt.

Um diese Zeit wurde der neue Kalender auch in gesamten deutschen Gebiet verbindlich. Bis dahin hatten sich die Protestanten gegen den neuen Kalender gewehrt. Sie widersprachen zwar nicht den Berechnungen, die Grundlage des Kalenders waren, aber lehnten den neuen Kalender als "papistisch" ab – so kam es, dass bis ins 17. Jahrhundert hinein der Neujahr an unterschiedlichen Tagen zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar gefeiert wurde – und eben alles irgendwie "zwischen den Jahren" war.

Heute – bei einheitlichem christlichen Kalender – erinnert der Begriff "zwischen den Jahren" an Erfahrungen einer gewissen "Auszeit" und des "Atemholens", sagt der Hamburger Theologe Rüdiger Sachau, der künftig Chef der Evangelischen Akademie zu Berlin sein wird. "Zwischen den Jahren" sei angesichts sekundengenauer Computer-Uhren eine "merkwürdig unscharfe Formulierung", sagte Sachau. Dennoch werde damit "recht treffsicher" manches Geheimnis der Zeit angesprochen. Zwar seien viele traditionelle Volksbräuche rund um den Jahreswechsel in Vergessenheit geraten. Dennoch sei auch in säkularen Gesellschaften das Bedürfnis groß, Vergangenes zu bedenken und Künftiges zu planen. Im Alltag würden Handy und Terminkalender dominieren. Doch "zwischen den Jahren" sei auch Ausdruck für eine sonntägliche Zeit, zum persönlichen Bilanzieren und zum Innehalten.