Tolerant aus Glauben

Gedanken zu den Grenzen der Toleranz

19. Dezember 2005


"Toleranz hat ihre Grenze dort, wo das Denken und das Handeln von Menschen das Leben und die Würde anderer gefährden und bedrohen. Als Kirche wollen wir eine verlässliche Anwältin sein für ein Leben aller Menschen in Würde und ein Ort des Widerstandes gegen jede Form von Intoleranz." So lautet die sechste von zehn Thesen, welche die 10. Synode der EKD auf ihrer vergangenen Tagung in Berlin beschlossen hat. Von Grenzen ist da die Rede - Grenzen, die trotz aller nötigen Toleranz klar und deutlich zu ziehen sind.

Beispiele dafür gibt es in diesen Adventswochen genügend:

Wenn der iranischen Präsident des Irans, Mahmud Ahmadinedschad, sowohl die historische Tatsache des Holocaust als auch das Existenzrecht Israels unbelehrbar und immer wieder bestreitet, ist das als "unerträglich" und mit Empörung zurück zu weisen: Wer die historische Tatsache der Ermordung von Millionen von Juden während des Dritten Reichs in Deutschland und das Existenzrecht Israels leugne, erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung, die in Deutschland strafbar ist und auch international nicht akzeptiert werden kann.

Auch wenn die Deutsche Susanne Osthoff seit dem vierten Advent wieder frei und in Sicherheit ist, bleibt jeglicher Versuch, durch Freiheitsberaubung oder Entführung Dritter politische Ziele durchzusetzen, mit aller Schärfe zu verurteilen und in Solidarität zu den Entführten um deren Freilassung zu beten. Dabei ist nicht entscheidend, welcher Religion, welcher Kultur, welcher Nationalität die Menschen sind, die ihrer Freiheit beraubt sind. In den Dank für die Freilassung von Susanne Osthoff mischt sich die Sorge und die Fürbitte um die, die noch entführt sind.

Wenn in Deutschland wieder einmal diskutiert wird über Fragen der Folter und der Möglichkeit, durch Folter noch Schlimmeres zu verhindern, muss klar und deutlich darauf hingewiesen werden, dass Menschenrechte und Menschenwürde nicht dadurch verteidigt werden können, dass die Menschenwürde einzelner verletzt wird.

Toleranz hat ihre Grenzen. Das hat die 10. Synode mit gutem Grund und aus christlichem Glauben heraus festgestellt. Wer anderen gegenüber tolerant ist, erfährt dabei immer, dass der andere anders ist. Dabei wissen Christen: "Unsere Toleranz ist in der Toleranz des dreieinigen Gottes begründet, der alle Menschen zu seinem Bild geschaffen hat, sie liebt und sie zum Glauben an ihn ruft. Gott in seiner Gerechtigkeit verurteilt die Verletzung der Menschenwürde und den Missbrauch von Freiheit. Gottes Versöhnung öffnet allen Menschen immer wieder neu den Weg zum Glauben," so die zweite These.