Viel Hoffnung, aber wenig Struktur

EKD ernüchtert von den Beobachtungen und Gesprächen im Südsudan

28. November 2005


Es zeichne Freunde aus, dass sie in kritischer Zeit zu Besuch kommen, erklärte zum Abschied der Ratsdelegation der EKD der stellvertretende Governor – eine Art Regierungspräsident – der Region Ecuatoria im Südsudan. Für einen Tag ist die Delegation unter Leitung des Vorsitzenden des Rates, Bischof Wolfgang Huber, nach Juba, der Hauptstadt des Südsudans geflogen. Dort hat über 20 Jahre der vergessene Bürgerkrieg stattgefunden. Im Januar 2005 haben die Südsudanesische Befreiungsbewegung (SPLM) und die sudanesische Regierung das „Umfassende Friedensabkommen“ (CPA) geschlossen. Die EKD-Delegation war die erste hochrangige kirchliche Delegation, die nun die Bürgerkriegsregion besuchte. Wie im Friedensabkommen vorgesehen wurde vor wenigen Wochen die südsudanesische parlamentarische Versammlung und die südsudanesische Regierung eingerichtet. Doch nicht nur diese politischen Maßnahmen interessierten die Kirchenvertreter aus Deutschland, sondern auch wie die Voraussetzungen sind, dass die Absprachen des Friedensabkommen umgesetzt werden, Frieden und Versöhnung Raum gewinnen und strukturelle Vorbereitung für die Bürgerkriegsflüchtlinge getroffen sind.

Gespräche mit Mitgliedern des südsudanesischen Parlaments, dem Präsidenten der Südsudanesischen Regierung Salva Kiir, der damit auch Vizepräsident der Einheitsregierung des Sudans ist, und Besuche in den Flüchtlingslagern in Juba ernüchtern die Gäste aus dem fernen Deutschland. Es gehe langsam voran, meinte Salva Kiir, den Friedensvertrag umzusetzen. Die Spannungen zwischen dem muslimisch-arabisch dominierten Norden und dem christlich-afrikanisch geprägten Süden sind in vielen Begegnungen zu spüren.

Auf der einzigen geteerten Straße des Südens, die quer durch Juba führt, sind immer noch zahllose bewaffnete Uniformierte zu sehen, sowohl der Regierungstruppen als auch der ehemaligen Rebellen. Die Demilitarisierung und die Frage, wie die beiden Armeen zusammen geführt werden sollen, bleiben unbeantwortet. In den einfachen Hütten wohnen nicht nur die, die in Juba geblieben sind, sondern auch zahlreiche Flüchtlinge, aus den Gebieten in denen in den letzten 20 Jahren gekämpft wurde. Eine Rückkehr ist schwierig, weil Landminen es nahezu unmöglich machen, das Land zu bestellen. Eine Infrastruktur für die Flüchtlingslager, wie sie in den Lagern rund um Khartum zu beobachten waren, gibt es nicht. Vor einer Hütte auf verstaubten Teppichen sitzen, Kinder, stillende Mütter und ältere Frauen – der „Chief“ dieser Flüchtlingsgruppe erklärt, dass sie alle krank sind. Doch ärztliche Versorgung und Medikamente gibt es nicht. So sitzen die über zwanzig Menschen in der tropisch-feuchten Hitze, die in Juba herrscht. In einer der wenigen Schulen in den Flüchtlingslager erfahren die Besucher aus Deutschland, dass dort manche Klassen von mehr als 100 Schülern besucht wird, doch die Klassenräume sind eng.

Bildung scheint neben der Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten, das herausragende Problem zu sein. Eine Parlamentarierin, die bis vor kurzem noch in der Befreiungsarmee des Südsudans gekämpft hat, äußert dies klar im Gespräch mit den Vertretern der EKD: „Wir haben die Waffen niedergelegt und sollen nun den Südsudan verwalten.“ Sie brauche Bildung und Begleitung, weil sie dies bisher nicht lernen konnte, erklärt die Frau. Sie spricht aus, was zu erkennen ist, blickt man auf die Biographien derer, die nun die politische Verantwortung im Südsudan und die Mitverantwortung im Gesamtsudan – einem Gebiet größer als Westeuropas – übernommen haben. In jungen Jahren sind diese Männer und Frauen der Befreiungsbewegung oder der Befreiungsarmee beigetreten und haben nun über Jahrzehnte militärisch gekämpft, kommandiert und im Kampf überlebt. Wie ein Gebiet dieser Größe mit Millionen verarmten Menschen, 700.000 Flüchtlingen, die dorthin zurück wollen, und ohne jegliche Infrastruktur regiert und geführt werden kann, hat ihnen keiner erklärt. Sie hoffen auf die Unterstützung der Geberländer, die die Unterstützung des Sudans zugesagt haben, aber ob es gelingt das CPA wirklich zu einer fruchtbarer Basis für die Zukunft des Südsudans und des Sudans zu machen und damit die Einheit des größten afrikanischen Staates zu bewahren, bleibt Hoffnung und letztendlich offene Frage. Der stellvertretenden Govenor der Region Equarorial die EKD-Delegation mit der Bitte „Pray for us“ verabschiedet – mehr als Verpflichtung für alle die das Elend in dieser Stadt und diesem Land gesehen haben.

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