Dem Sterben begegnen

Palliativmedizin als Alternative

25. Oktober 2005


„Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ – so bittet und singt der Psalmist. Viele Menschen haben Angst vor dem Sterben, das ein unabwendbarer Teil des Lebens ist. Häufig wird als Grund für diese Angst angegeben, dass Menschen befürchten, wenn das Leben zu Ende geht, Schmerzen ertragen zu müssen. Dies Diskussion, wie Menschen mit ihrem Sterben umgehen, ist in den letzten Tagen neu entbrannt. „Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um Sterbehilfe und Bioethik ist es notwendig, eine Alternative zu der Todesmentalität zu entwickeln, die derzeit in der Gesellschaft um sich greift!“ sagte deshalb der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber anlässlich seines Besuchs im Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin (IZP) am Münchner Universitätsklinikum Großhadern, einer Einrichtung, die mit Hilfe der Kirchen aufgebaut wurde.

Das Zentrum für Palliativmedizin zur Begleitung todkranker Menschen an der Universität München gilt als bundesweite Modelleinrichtung. Für 98 Prozent derer, die den Tod vor Augen haben, sei ein friedliches Sterben möglich, wenn Schmerzlinderung durch Ärzte und Sterbebegleitung durch Verwandte, Freunde oder ausgebildete Helfer geschieht, meint die Münchner Ärztin und Pionierin der Palliativmedizin, Claudia Bausewein. Dann werde der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe von vielen Schwerstkranken aufgegeben, betont sie. Alle „vernünftigen medizinischen Möglichkeiten der passiven Sterbehilfe“ sollten genutzt und mit todkranken Patienten offen über ihre Situation gesprochen werden.

Der Begriff „palliativ“ leitet sich vom lateinischen Wort für Mantel („pallium“) ab. Wie mit einem Mantel sollen Körper, Geist und Seele von unheilbar kranken Menschen „umhüllt“ werden, um ihnen so ein schmerzarmes und würdiges Leben bis zum Tod zu ermöglichen. Dazu gehöre die seelische Begleitung der Angehörigen von Sterbenden, „die nicht selten mehr Gesprächszeit benötigen als die Patienten selber“, sagte die erfahrene Ärztin. Wichtig sei zudem die Unterstützung der Ärzte durch so genannte Hospizhelfer, weil die Mediziner häufig für Patientengespräche angesichts eines nahenden Todes nicht ausgebildet seien. In Deutschland gibt es inzwischen rund hundert Hospize (Einrichtungen der Sterbebegleitung) und rund neunzig Palliativstationen in Kliniken. Diese Form der humanen Sterbebegleitung und Schmerzlinderung sollte zu einer Alternative gegen die «Todesmentalität» werden, die sich in der Gesellschaft immer weiter ausbreite, sagte Huber. Bisher würden lediglich 0,12 Prozent des Gesundheitsetats für Palliativmedizin aufgewandt. Nötig sei jedoch ein Anteil von 0,5 Prozent, forderte der Berliner Bischof.

Auch eine Ausstellung im Willy-Brandt-Haus in Berlin nimmt das Thema „Sterben“ auf: „Noch mal leben. Eine Fotoausstellung über das Sterben“. Der Vizepräsident im Kirchenamt der EKD, Hermann Barth, hat am Mittwoch, 26. Oktober, die Ausstellung eröffnet. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin werden ab 28. Oktober Bilder des Fotografen Walter Schels und Texte der Journalistin Beate Lakotta gezeigt, die helfen können, dem Sterben mit neuen Gedanken zu begegnen. Der Fotograf und die Journalistin haben unterschiedliche Menschen zumeist in Hospizen auf ihrem Sterbeweg begleitet. Die Bilder und einzelne Textabschnitte wurden vom Deutschen Hygiene Museum (Dresden) zu der beeindruckenden Ausstellung zusammengestellt. Außerdem sind die Bilder mit umfangreicheren Texten in der Deutschen Verlagsanstalt als Bildband erschienen.

Ansprache von Vizepräsident Hermann Barth zur Ausstellungseröffnung