Stabwechsel im Kirchenamt der EKD

EKD-Kirchenamtspräsident Valentin Schmidt wird 65 Jahre

15. Februar 2006


Hannover (epd). Valentin Schmidt, scheidender Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wird am Samstag (18. Februar) 65 Jahre alt. Zum 1. März geht der Jurist in Ruhestand. Schmidt leitete seit 1997 das Kirchenamt in Hannover mit mehr als 200 Mitarbeitern, führte die Amtsgeschäfte des EKD-Rates und koordinierte die Arbeit der Kommissionen und Ausschüsse.

Anfang 2005 wurde Schmidt zum ehrenamtlichen Sportbeauftragten des Rates der EKD berufen. Zudem ist er seit 1999 Vorsitzender des Rundfunkrates der Deutschen Welle. Seit langem ist Schmidt ehrenamtlich in der Kirche engagiert. Der gebürtige Hannoveraner gehörte zwölf Jahre lang der EKD-Synode an. Von 1993 bis 1998 war er Präsident der hannoverschen Landessynode. Daneben wirkte er auch viele Jahre in den Leitungsgremien des Kirchentages mit. Nach wie vor ist er Mitglied im Kirchenvorstand der "Neustädter Hof- und Stadtkirchengemeinde" in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Seine Laufbahn begann Schmidt 1971 als Referent des hannoverschen Oberstadtdirektors. 1992 übernahm er als Verbandsdirektor die Leitung des Kommunalverbandes Großraum Hannover.

"Fußball ist die herrlichste Nebensache der Welt"

Von Michael Grau und Ulrike Millhahn (epd)

Hannover (epd). Der Fußball hat in seinem Büro genauso seinen Platz wie das Kreuz. Valentin Schmidt, Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover, ist mit Leib und Seele Fußball-Fan. Der Sport und die Kirche haben ihn ein Leben lang begleitet und geprägt: "In den Kirchengemeinden und beim Sport finden die Menschen eine Gemeinschaft, die sie stärkt", sagt der Jurist, der an diesem Sonnabend 65 Jahre alt wird.

Schmidt, der die bundesweite Kirchenverwaltung mit rund 200 Mitarbeitern neun Jahre lang leitete, geht im März zwar in den Ruhestand. Doch sein Ehrenamt als Sportbeauftragter des EKD-Rates führt er weiter. Er freut sich vor allem auf die Fußball-Weltmeisterschaft. Die EKD hat die Übertragungsrechte erworben, so dass Kirchengemeinden die Spiele auf Großbildleinwänden zeigen können. "Das kann ein großes Gemeinschaftserlebnis werden", sagt Schmidt, der seit 44 Jahren Mitglied bei Hannover 96 ist.

Fast genau so lange engagiert sich der gebürtige Hannoveraner schon ehrenamtlich in der Kirche, unter anderem als Kirchenvorsteher. Er war lange beim evangelischen Kirchentag und in der EKD-Synode aktiv. Zwei Mal wählte die hannoversche Landessynode den damaligen Chef des Kommunalverbandes Großraum Hannover zu ihrem Präsidenten, bevor Schmidt am 1. März 1997 hauptberuflich zur Kirche wechselte.

Auch hier blieb für den Sportsmann Fairness ein Lebensmotto: "Man sollte kämpferisch sein, aber zugleich immer seine Grenzen kennen." Protestantischen Trübsinn kann Schmidt, der gern Klassik hört und pfeift, nicht leiden: "Christen sind fröhliche, weltoffene Menschen, das muss man uns doch auch ansehen." Der Vater von zwei Kindern glaubt fest daran, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist, auch im Sport: "Wir kämpfen zwar um den Ball, aber wir bekämpfen uns nicht gegenseitig als Menschen."

Überhaupt nichts hält er aber von einer religiösen Überhöhung des Fußballs, wenn etwa von "Fußball-Göttern" oder dem "heiligen Rasen" die Rede ist. "Fußball ist die herrlichste Nebensache der Welt, kann aber nie eine Ersatz-Religion sein." Nur in einem Punkt blickt er fast neidisch auf die Fußballränge: "Vom gemeinsamen Singen im Stadion können wir für unser kirchliches Leben sogar ein bißchen lernen."

Fußball hat für den Kirchenmann dabei auch eine integrative Kraft: "Das Spiel verwischt ein wenig die sozialen Strukturen. Die Vereine sind mit die wichtigsten Helfer bei der Integration von ausländischen Mitbürgern." Der Ball in seinem Büro wurde in der Dritten Welt unter dem "Transfair"-Siegel für menschenwürdige Arbeitsbedingungen hergestellt: "Wer so einen Ball kauft, setzt ein Signal für eine gerechte Welt." Auch die ist Schmidt wichtig.

Ist er traurig, wenn Deutschland nicht Fußball-Weltmeister wird? "Eine Niederlage von Hannover 96 nimmt mich mehr mit", schmunzelt Schmidt. Doch dann wird er gleich wieder diplomatisch. "Ich drücke Deutschland natürlich die Daumen und hoffe, dass ich lange die Daumen drücken muss."

Das Interview im Wortlaut:

"Sport ist ein Ausdruck von Lebensfreude"

EKD-Kirchenamtspräsident Schmidt zur Fußball-Weltmeisterschaft - (epd-Interview)

Hannover (epd). Die Fußball-Weltmeisterschaft ist auch für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein großes Ereignis, das sie mit zahlreichen Aktivitäten begleitet. Der Präsident des EKD- Kirchenamtes in Hannover, Valentin Schmidt, sprach darüber mit den epd-Redakteuren Michael Grau und Ulrike Millhahn. Fußballfan Schmidt, seit 44 Jahren Mitglied bei "Hannover 96", ist seit einem Jahr auch ehrenamtlicher Sportbeauftragter des Rates der EKD. Als Präsident geht der Jurist im März mit 65 Jahren in den Ruhestand.

epd: Was haben Kirche und Sport gemeinsam?

Schmidt: In den Kirchengemeinden und beim Sport finden die Menschen Gemeinschaft, die sie stärkt. So wird im Sport Fairness auf den Spielfeldern und in den Arenen eingeübt und praktiziert. Die Kirche lädt weltweit zum Verstehen anderer ein. Für ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft brauchen wir beides.

epd: Hat Fußball auch eine gesellschaftliche Aufgabe?

Schmidt: Fußball hat - wie jeder Sport - eine hohe integrative Kraft. Menschen unterschiedlichster Herkunft begeistern sich für die gleiche Sportart. Das Spiel verwischt auch ein wenig die sozialen Strukturen. Die Sportvereine sind mit die wichtigsten Helfer bei der Integration von deutschen und ausländischen Mitbürgern. Viele Jugendmannschaften hätten ohne die ausländischen Jugendlichen gar nicht mehr genug Spieler. Dies gilt auch für den Profi-Fußball. Ich kann den Ausländern nicht nur dann zujubeln, wenn sie in kurzen Hosen über den Stadionrasen laufen. Ich muss sie doch auch wahrnehmen und annehmen, wenn sie mir im Alltag auf der Straße begegnen.

epd: In der öffentlichen Meinung passen Kirche und Fußball aber immer noch nicht so recht zusammen. Wie ist das für Sie?

Schmidt: Ich weiß nicht, ob dies die öffentliche Meinung wiedergibt, aber ich bin auf jeden Fall anderer Ansicht. Diejenigen, die zwischen Kirche und Sport einen grundsätzlichen Widerspruch sehen, übersehen, dass auch die Kirche eine sehr lebensfrohe Institution ist. Christen sind fröhliche, weltoffene Menschen. Genauso ist der Sport ein Ausdruck von Lebensfreude.

epd: Es ist immer öfter von "Fußball-Göttern", "Fußball-Tempeln" oder "Bekenntnissen zum Lattenkreuz" die Rede. Ist Fußball ein neuer Religionsersatz?

Schmidt: Nein! Dass Journalisten bei der Berichterstattung auf religiöse Sprachkraft zurück greifen, ist der eine Aspekt. Da liegen sie in ihrer Wortwahl auch manchmal daneben. Fußball ist zwar die herrlichste Nebensache der Welt, deshalb aber niemals eine Ersatz- Religion. Manches, was als religiös bezeichnet wird, wie zum Beispiel das gemeinsame Singen in einem vollen Stadion, ist Zeichen gemeinsamer Begeisterung. Unter diesem Aspekt können wir für unser kirchliches Leben sogar ein bisschen was lernen.

epd: Was halten Sie von Fußballspielern, die sich nach einem Tor ihr Trikot hochziehen und darunter ein T-Shirt tragen, auf dem groß "Jesus" steht?

Schmidt: Es ist doch schön, wenn ein Spieler seine Kraft daraus schöpft, dass er sagt, Jesus hat mir beigestanden. Aber jeder muss auch selbst einiges für seinen Erfolg tun. Jesus ersetzt nicht das harte Training, das für erfolgreiche Fußballspieler zwingend ist.

epd: Das heißt, es gibt bei der Werbung für Jesus unter Fußballern auch eine Geschmacksgrenze?

Schmidt: Sicher. Aber es hängt auch vom jeweiligen Temperament ab. Die Südamerikaner leben ihre Frömmigkeit anders als wir. Aber Jubel über einen Sieg und Dank an Gott passen gut zusammen.

epd: Können Sie sich auch TV-Übertragungen der Fußball-WM in kirchlichen Räumen vorstellen?

Schmidt: In Gemeindehäusern ja. Die EKD hat das Recht gesichert, dass jede Kirchengemeinde Übertragungen der WM-Spiele anbieten kann. Es gibt ein sehr großes Interesse bei den Gemeinden. Das kann ein großes Gemeinschaftserlebnis werden, wenn die Fans sich in Gemeindehäusern oder vor den Kirchen versammeln. Es sollten möglichst offene und einladende Veranstaltungen sein. Wir sind dankbar, dass uns dabei auch die evangelikale Aktion "kick-off" mit vielen Angeboten unterstützt.

epd: Die WM ist ja auch ein kommerzielles Mega-Event. Sollte die EKD das nicht auch kritisch sehen?

Schmidt: Die EKD ist grundsätzlich gegen eine Über-Kommerzialisierung des Lebens und damit auch des Sportes. Aber: Die Bundesliga ist ohne vernünftiges wirtschaftliches Handeln nicht zu managen. Es muss jedoch immer darauf geachtet werden, dass hier niemand über die Stränge schlägt.

epd: Sportartikel werden in der Dritten Welt oft unter schlimmsten Bedingungen hergestellt. Was tut die Kirche dagegen?

Schmidt: Die evangelische Kirche unterstützt Menschen in Schwellenländern, die Sportartikel fabrizieren. Fußbälle, die unter menschenwürdigen Produktionsbedingungen hergestellt werden, tragen das "Transfair"-Siegel und das Motto "Fairplay-Fairlife". Wer so einen Ball kauft, setzt ein Signal für eine gerechte Welt.

epd: Fürchten Sie auch, dass die Zwangsprostitution - vor allem mit Frauen aus Osteuropa - während der WM zunehmen könnte?

Schmidt: Es ist eine bedrückende Tatsache, dass es bei Großveranstaltungen auch einen Zuwachs an Prostitution gibt. Dass - wie einige behaupten - zur WM 40.000 Zwangsprostituierte nach Deutschland kommen, kann ich aus meinen Gesprächen mit den Behörden nicht bestätigen. Aber die Zahl ist auch unerheblich: Schon eine Zwangsprostituierte ist eine zu viel. Deshalb werden wir zusammen mit der Diakonie allen, die Hilfe und Beratung brauchen, diese auch anbieten.

epd: Zurück zu Ihnen. Das Gymnasium, das Sie in Hannover besuchten, stand in unmittelbarer Nähe des Stadions von Hannover 96. Was hat Ihnen Fußball als Kind bedeutet?

Schmidt: Fußball war für mich in erster Linie Freude an der Bewegung. Das ging mit Straßenfußball los und mündete im Verein. Fußball macht einfach Spaß! Ich bin ein Mannschaftsspieler, deshalb ist Joggen für mich eher eine Qual.

Als Hannover 96 im Jahr 1954 deutscher Meister wurde, bin ich aus einem Schulfenster gesprungen und zum Stadion gelaufen. Ich bin seit 44 Jahren Mitglied im Verein und stand den Jungs auch dann treu zur Seite, als sie in der Regionalliga waren.

epd: Sieht man Sie im Stadion auch mit Schal und Fahne?

Schmidt: Ich habe aus der Runde der leitenden Juristen zum Abschied einen 96-Schal bekommen, den trage ich natürlich.

epd: Was ist, wenn Deutschland nicht Weltmeister wird?

Schmidt: Ich muss sagen, eine Niederlage bei 96 nimmt mich mehr mit. Nein, im Ernst, ich drücke Deutschland natürlich die Daumen und hoffe, dass ich lange die Daumen drücken muss.

Informationen über Valentin Schmidt