Grußwort beim Ratsempfang der EKD in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin

Guido Westerwelle, Bundesvorsitzender der FDP

12. Dezember 2003


Anrede,

„Der Glaube macht selig“, lesen wir im Markus-Evangelium  (Kapitel 16, Vers 15). So lautet das Ideal. Allerdings wusste schon der Apostel Paulus in seinem 2. Brief an die Thessaloniker aus der Praxis zu berichten: „nicht alle nehmen den Glauben an.“ (Kapitel 3, Vers 2) Ein kraftvoller Glaube braucht eine stetige Auseinandersetzung mit anderen und mit sich selbst. Kirche ist das Besinnen auf die Menschheitsgeschichte genauso wie der klare und gestaltende Blick in die Zukunft.

Religion mag für manchen Privatsache sein, aber Kirche ist immer auch ein Stück Gesellschaftspolitik. Die evangelische Kirche ist vor Jahrhunderten aus einer Sehnsucht der Gläubigen nach Reformen hervorgegangen. Auch heute steht unser Land in für viele Deutsche existentiell wichtigen Bereichen vor großen Reformen, die viel Gestaltungskraft und Einigungswillen benötigen.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne an das Wort des Rates der EKD und der Deutschen Bischofs-Konferenz von 1997 „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, wo es wörtlich heißt: „Grundkonsens meint nicht Harmonie, sondern ein ausreichendes Maß an Übereinstimmung trotz verbleibender Gegensätze.“ An dieser Übereinstimmung arbeitet die Politik in diesen Tagen, und ich hoffe, mit einem vertrauensbildenden Ergebnis.

Im Herbst noch haben der jetzt scheidende Präses Manfred Kock und das Präsidium meiner Partei über den tragenden Wert von mehr Eigenverantwortung bei den anstehenden Reformen besonders der Sozialsysteme diskutiert. Dabei waren wir uns einig, dass Solidarität keinen Gegensatz zur Eigenverantwortung bildet, sondern dass Eigenverantwortung die Grundvoraussetzung für Solidarität in der Gesellschaft ist. Ich wünsche mir, dass die Gespräche zwischen den Liberalen und der Evangelischen Kirche in diesem Sinne fortgeführt werden.

Sehr geehrter Präses Kock, für Ihre intensive und aufopfernde Tätigkeit als bisheriger Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland danke ich Ihnen sehr. Sie haben das Bild und das Wirken der Evangelischen Kirche in Deutschland in einer Weise geprägt, die sehr vielen Menschen, auch mir, imponiert und Kraft und Hoffnung vermittelt hat. Sie haben sich die Anerkennung und Zuneigung der evangelischen Christen in Deutschland verdient.

Sehr geehrter Bischof Huber, Sie übernehmen ein gut bestelltes Haus. Zu Ihrem neuen Amt gratuliere ich Ihnen recht herzlich. Für die vor Ihnen liegenden Amtsgeschäfte wünsche ich Ihnen im Namen meiner Partei und als Mitglied der evangelischen Kirche die nötige Kraft, eine glückliche Hand und viel Erfolg. Es wird auch Aufgabe der Kirchengemeinschaften sein, bei den anstehenden Veränderungen unseres Landes als überparteilicher Anker des Mutes, des Vertrauens und der Hoffnung zu wirken.

Ich wünsche Ihnen und uns allen Glück, Gesundheit und Gottes Segen.