Grußwort beim Ratsempfang der EKD in der Französischen Friedrichstadtkirche Berlin

Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz (DBK)

12. Dezember 2003


Grußwort zur Verabschiedung des alten und zur Vorstellung des neuen Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, besonders der Vorsitzenden Präses i.R. Manfred Kock und Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, in der Französischen Friedrichstadt-Kirche, Gendarmenmarkt, in Berlin am 12.Dezember 2003

"Ich bin dankbar, nach dem Dankeswort für Herrn Präses Manfred Kock am 2. November in Trier nun auch hier in Berlin einen Gruß sagen zu dürfen, der sich zugleich an den neuen Vorsitzenden des Rates, Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, richtet. Dabei wende ich mich unmittelbar auch an die alten und neuen Mitglieder des Rates selbst.

Wir sind, verehrter Präses und Bruder Kock, seit 1997 immer wieder und immer mehr gemeinsam hier in Berlin vor die Öffentlichkeit und besonders auch vor die Presse getreten. Dies hängt nicht nur damit zusammen – aber es versteht sich: wohl auch - , dass Berlin nicht nur Bundeshauptstadt ist, sondern in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem Zentrum gesellschaftlicher und kultureller Kommunikation wurde. Daran konnten und wollten wir auch als Kirche nicht vorbeigehen, zumal wenn unsere Verlautbarungen Fragen der öffentlichen Verantwortung betrafen.

Es gibt aber auch noch einen weiteren Gesichtspunkt, den ich gerne erwähnen möchte. Die ökumenische Zusammenarbeit musste sich über Jahrzehnte auf den jahrhundertealten Dissens vor allem in der kirchlichen Lehre konzentrieren. Vieles ist in internationalen Gremien in einem hohen Maß aufgearbeitet worden. Wir selbst haben in Deutschland nach dem ersten Papstbesuch im November 1980 das fünf Jahre dauernde Projekt über die heutige Beurteilung der Lehrverurteilungen (Anathematismen) des 16. Jahrhunderts bearbeitet, das auch eine wichtige Vorarbeit für die am 31. Oktober 1999 vom Lutherischen Weltbund und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ in Augsburg darstellt, ein Meilenstein in der Lehrentwicklung.

Vieles könnte vom internationalen und deutschsprachigen Raum aus noch hinzugefügt werden. Heute bedarf jedoch auch ein so erweitertes Bild einer wesentlichen Ergänzung. Es gibt nämlich im Blick auf die Mitverantwortung der Kirchen angesichts großer gesellschaftlicher und sozialer Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben eine wichtige zweite Säule gemeinsamer Verlautbarungen. Solche hat es früher gewiss immer wieder, von Zeit zu Zeit und in bestimmten Situationen, gegeben. Am dichtesten waren wohl die gemeinsamen Aussagen zu Grundfragen der Internationalen Wirtschaftsordnung, aber auch zur Sinngebung und Rettung des Sonntags. Viele andere Texte haben diese Gemeinsamkeit wie in einem Knotenpunkt festgehalten, z.B. die zusammen auch mit den anderen Christen in unserem Land veröffentlichte gemeinsame Denkschrift „Gott ist ein Freund des Lebens“ die vielfach aufgelegt worden ist. Ich denke aber auch an konkrete praktische Hilfen, wie z.B. die Christliche Patientenverfügung. Darüber hinaus existieren nicht zuletzt durch die seit mehr als 12 Jahren gemeinsam durchgeführte Woche für das Leben. Viele gemeinsame Erklärungen z.B. über die Sterbehilfe, die großen Ausarbeitungen wie „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ (1997), kurz Sozialhirtenwort genannt, sowie „Chancen und Risiken der Mediengesellschaft, und auch die Arbeitshilfe zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht „... und der Fremdling, der in deinen Toren ist“ (1998) blieben nicht allein. Es folgten bis in die jüngste Zeit hinein gemeinsame Äußerungen zu bioethischen Grundfragen, zur Xenotransplantation, zur Alterssicherung. (vgl. eine Auswahl dieser Verlautbarungen in der Reihe „Gemeinsame Texte“ 1-18) und zur Neuorientierung in der Landwirtschaft. Hinzu kommen zahlreiche gemeinsame Aufrufe und grundsätzliche Schreiben, die von selbst oder von den Leitern unserer Büros in Berlin unterzeichnet worden sind, wie z.B. zur embryonalen Stammzellenforschung und ihre Finanzierung innerhalb der Europäischen Union und zu Fragen des Vertragsentwurfs für eine Europäische Verfassung. Man darf sicher sagen, dass diese zweite Säule in unseren ökumenischen Einigungsbemühungen noch viel zu wenig in ihrer grundlegenden Funktion gesehen wird, leider übrigens auch in der Ökumenischen Theologie.

Verehrter Herr Präses Kock, bei der Vorbereitung und Erarbeitung sowie Veröffentlichung dieser gemeinsamen Stellungnahmen waren Sie mir, ähnlich übrigens, wie Ihre großen Vorgänger Landesbischof  Dr. Klaus Engelhardt und Bischof Dr. Martin Kruse, ein hervorragender Partner. Sie haben die Erfüllung unserer gemeinsamen Aufgaben durch Ihre Klugheit und Offenheit, Ihre Sensibilität und Ihr Verständnis möglich gemacht und in hohem Ausmaß den Konsens des Rates, der übrigen Landeskirchen und des Kirchenamtes einzuholen verstanden. Durch die Transparenz Ihres Handelns war die Rezeption auf katholischer Seite in vielen Fällen relativ leicht. So war es selbstverständlich, das wir in einem ganz hohen Maß unsere Ergebnisse auch gemeinsam der Öffentlichkeit vorgestellt haben.

Dies ist ein Ausschnitt aus einer umfassenden Kooperation, die hier nicht ausführlicher dargestellt werden kann. Aber ich möchte mich am Ende unserer formellen Zusammenarbeit für diese noble, aufrichtige und gerade darum auch fruchtbare Zusammenarbeit bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern bedanken. Ich weiß wohl, dass in dieser Richtung auch noch etwas über unsere Gottesdienste zu ergänzen wäre. Sie haben nicht selten das gemeinsame Fundament abgegeben. Ich denke nur an den Ökumenischen Kirchentag dieses Jahres hier in Berlin. Ich bedanke mich mit einem herzlichen Vergelt´s Gott, freue mich auf jedes Wiedersehen und wünschen Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gottes Segen an Leib und Seele für die Zukunft.

Verehrter Ratsvorsitzender, lieber Bruder Wolfgang Huber, wir durften schon in vielen gemeinsamen mehr punktuellen Veranstaltungen, wie z.B. der Religionsunterricht in Stuttgart und Hamburg, aber auch über Jahre im gemeinsamen „Kontaktgesprächskreis“, ein zweimal im Jahr tagendes oberstes Gremium beider Kirchen zur Koordination, zusammenwirken. Wir haben auch nach Ihrer Wahl sofort, jeder an seiner Stelle, den Staffelstab aufgenommen und ihn weiterzutragen versucht. Ich bin ganz sicher, dass der Autor der großen Werke „Kirche und Öffentlichkeit“ (1973), „Konflikt und Konsens“ (1990), „Gerechtigkeit und Recht“ (1996), „Kirche in der Zeitenwende“ (1998), die besten Voraussetzungen bietet, um die bisherige Zusammenarbeit im Einvernehmen mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und den zugeordneten Organen der Deutschen Bischofskonferenz fruchtbar fortzusetzen. Darüber freue ich mich und möchte für Sie und uns zusammen den reichen Segen Gottes erbitten. Gott segne Sie dazu alle."

Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Mainz/Bonn/Berlin, 12.Dezember 2003