Zwischenbericht des Ad-hoc-Ausschusses "Strukturreform"


  1. Durch die Bildung der Union evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) haben die Landeskirchen erneut die Debatte aufgenommen, ob die Organisationsstruktur des Protestantismus oberhalb ihrer selbst neu zu ordnen ist. Eine Zusammenstellung der Diskussion findet sich in den epd-Dokumentationen Nr. 6a, 28, 43 und 47/2002.

    In ihrer Sitzung vom 4./5. Dezember 2002 waren sich die in der Kirchenkonferenz vertretenen Gliedkirchen darin einig, dass unter Wahrung und Achtung der unterschiedlichen Bekenntnisbindungen der Landeskirchen das Profil und die Wirksamkeit des Protestantismus in Deutschland durch eine Vertiefung der Zusammenarbeit der Landeskirchen gestärkt werden sollen. Die Gliedkirchen sahen die Notwendigkeit, in eine strukturierte Beratungsphase einzutreten.

    Für diese Beratung wurde ein Ad-hoc-Ausschuss mit der Aufgabe eingesetzt, Vorschläge zu erarbeiten. Dabei waren die bisher vorliegenden Reformvorschläge zu sichten und auszuwerten, die wesentlichen bestehenden wie zukünftig zu erwartenden Gemeinschaftsaufgaben zu beschreiben und wesentliche Aufgaben, die den Landeskirchen einzeln sowie den gliedkirchlichen Zusammenschlüssen obliegen, darauf zu untersuchen, ob sie gemeinschaftlich wirksamer bearbeitet werden können.

    Übereinstimmung bestand darin, dass bei den Strukturüberlegungen folgende Ziele erreicht werden müssen:

    • Stärkung einer profilierten Präsenz des Protestantismus in Gesellschaft und Öffentlichkeit
    • wirksamere und zukunftsorientiertere Wahrnehmung der Gemeinschaftsaufgaben
    • Verbesserung der Zusammenarbeit der Landeskirchen
    • Ausbau von Beratung und Unterstützung der Landeskirchen
    • Konzentration der Kräfte durch sorgsamen Umgang mit verfügbaren Ressourcen, Abbau von Doppelstrukturen, Transparenz von Abläufen, Willensbildung und Entscheidungsfindung sowie Verbesserung der Kommunikation zwischen den Bekenntnisfamilien
    • Vertiefung der theologischen Arbeit vor dem Hintergrund der durch Leuenberg fortentwickelten innerevangelischen Ökumene

    Dabei müssen folgende Bedingungen eingehalten werden:

    • Erhaltung der konfessionellen Identitäten und Handlungsfähigkeit
    • Erhaltung der ökumenischen Anschlussfähigkeit

    Dem Ad-hoc-Ausschuss gehören an:
    Konsistorialpräsidentin Brigitte Andrae, Vizepräsident Christian Drägert, Oberlandeskichenrat Dr. Robert Fischer, Landesbischof Dr. Ulrich Fischer, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Landessuperintendent Walter Herrenbrück, Landesbischof Prof. Dr. Christoph Kähler, Bischof Dr. Hans Christian Knuth, Vizepräsident Friedrich Ristow, Direktorin Margit Rupp, Kirchenrat Dr. Arno Schilberg, Kirchenpräsident Prof. Dr. Peter Steinacker, Präsident Dr. Eckhart von Vietinghoff. Der Vorsitz wurde dem ehemaligen Ratsvorsitzenden Landesbischof i.R. Prof. Dr. Klaus Engelhardt übertragen.

    Der Ad-hoc-Ausschuss hat bisher viermal im Plenum getagt und sich durch Untergruppen zuarbeiten lassen.

  2. Zunächst behandelte der Ausschuss auch im Lichte des durch die Leuenberger Konkordie erreichten innerevangelischen Konsenses die entscheidende Vorfrage, ob und inwieweit die Bekenntnisbindung der Gliedkirchen eine Reform der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zulässt. Das Ergebnis dieser theologischen Prüfung im Ausschuss ist in seinem Arbeitspapier „Zu: Bekenntnisbindung und Bekenntnisfunktion“ (Anlage 1) in Stichworten zusammengefasst. Es hat sich gezeigt, dass an den bestehenden Strukturen jedenfalls aus theologischen Gründen nicht zwingend festgehalten werden muss. Vielmehr ist eine Transformation der bestehenden konfessionellen (VELKD) wie der anders strukturierten (UEK) gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in eine veränderte EKD sinnvoll und gestaltbar. Eine weitere Stärkung dieser Gemeinschaft von bekenntnisverschiedenen Kirchen erfordert allerdings Strukturen, die eine engere Gemeinschaft bekenntnisgleicher Kirchen in der grösseren Gemeinschaft bekenntnisverschiedener Kirchen ermöglicht und respektiert. Außerdem ist sicherzustellen, dass unterschiedliche Sichtweisen zwischen den bekenntnisverschiedenen Kirchen in einem verlässlichen Verfahren des Aufeinanderbezogenseins bearbeitet werden. Zwingend sind deshalb Zuständigkeits- und Konfliktlösungen innerhalb der fortzuentwickenden EKD, die die Bekenntnisverschiedenheit der Gliedkirchen berücksichtigen, ohne aber jede streitige Frage sogleich zu einer Bekenntnisfrage werden zu lassen oder machen zu müssen.

  3. Dem Ad-hoc-Ausschuss lagen zwei Modelle aus der vorausgegangenen kirchlichen Diskussion vor:

    • das „Konventsmodell“ innerhalb einer neu zu strukturierenden EKD und
    • das „Integrationsmodell“ einer stärkeren Verbindung von gliedkirchlichen Zusammenschlüssen und EKD.

    Das „Konventsmodell“ ging von der These aus, dass die Gliedkirchen oberhalb ihrer selbst nur eine Gemeinschaftsstruktur benötigen und dass sich bekenntnisgleiche Gliedkirchen innerhalb der EKD zu Konventen zusammenschließen. Konsequenz dieses Modells wäre die Auflösung der VELKD, die dies ablehnt. Konsequenz wäre auch, dass das jeweilige gemeinsame Bekenntnis zum zwingenden Organisationsprinzip der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse innerhalb der EKD gemacht würde. Dies würde aber den in der UEK verbundenen Kirchen nicht gerecht.

    Überlegungen zu einem „Integrationsmodell“ sahen vor, dass alle gliedkirchlichen Zusammenschlüsse neben den oder an Stelle der Gliedkirchen Mitgliedskirchen der EKD werden. Dieses Modell ist dem Bedenken ausgesetzt, dass parallele Strukturen und Ämter fortbestehen und die angestrebte stärkere und vor allem auch verbindliche Zusammenarbeit nicht erreicht werden würde.

    Daher hat der Ad-hoc-Ausschuss nach eingehender Beratung der jeweiligen Vor- und Nachteile ein „Verbindungsmodell“ erarbeitet. Dessen Kerngedanke ist, dass die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse ihren Auftrag in – und nicht mehr neben - der Evangelischen Kirche in Deutschland erfüllen. Dies kann sowohl bedeuten, dass sie als bekenntnisgleiche „Kirche in der Kirche“ wirken, als auch dass sie nach anderen Gesichtspunkten Zusammenschlüsse in der EKD bilden können.

    Die zu verändernde Grundordnung der EKD gibt hierzu Strukturelemente des Inhalts vor, dass die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in Synode und Kirchenkonferenz in Form von Konventen Untergliederungen bilden. Ferner ist vorgesehen, dass zukünftig nur ein einziges – den neuen Anforderungen gerecht werdendes – Kirchenamt der EKD sowohl den Organen der EKD – Synode, Rat und Kirchenkonferenz – wie auch den Organen der gliedkirchlichen Zusammenschlüssen innerhalb der EKD zuarbeitet.

    Wie sich dieses im einzelnen gestaltet, soll durch Verträge zwischen bestehenden gliedkirchlichen Zusammenschlüssen und der EKD geregelt werden. Das Gestaltungsmittel Vertrag kann für die unterschiedlichen Selbstverständnisse, Aufgaben und Strukturen der bekenntnisgeprägten (VELKD) wie der anderen (UEK) gliedkirchlichen Zusammenschlüsse sachgerechte Regelungen treffen. Rechtsgrundlage für die zukünftige Zusammenarbeit aller Gliedkirchen ist dann in erster Linie die veränderte Grundordnung der EKD; die konkrete Ausgestaltung des Wirkens des jeweiligen gliedkirchlichen Zusammenschlusses in der EKD richtet sich sodann ergänzend nach dem jeweiligen Vertrag; die innere Organisation des gliedkirchlichen Zusammenschlusses ergibt sich schließlich aus dessen ebenfalls anzupassender Verfassung.

    Das Verbindungsmodell erhält die ökumenische Anschlussfähigkeit. Die Zusammenarbeit der lutherischen Gliedkirchen der EKD im Deutschen Nationalkomitee als Untergliederung des Lutherischen Weltbundes bleibt unberührt. Die personale Unterstützung wird in Zukunft durch das Kirchenamt der EKD geleistet werden. Für die ökumenischen Beziehungen der unierten und reformierten Gliedkirchen gilt Vergleichbares. Die EKD nimmt ihre ökumenische Aufgabe im bisherigen Umfang des Artikel 17 GO-EKD wahr.

Eckpunkte des vorgeschlagenen Verbindungsmodells sind also folgende:

  1. Die EKD nimmt grundsätzlich als die Gemeinschaft aller Gliedkirchen deren Gemeinschaftsaufgaben wahr.

  2. Die bestehenden gliedkirchlichen Zusammenschlüsse werden in die EKD transformiert. Sie können innerhalb der EKD nach Maßgabe von deren veränderter Verfassung und nach Maßgabe der jeweiligen Verträge mit der EKD Zusammenschlüsse bilden mit je eigener Willens- und Entscheidungsbildung für ihre jeweiligen Angelegenheiten.

  3. Die Kompetenzverteilung soll dem Grundsatz folgen: soviel Gemeinsamkeit aller Gliedkirchen zu erreichen wie möglich und soviel Differenzierung für die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse vorzusehen wie aus deren Verständnis nötig.

  4. Die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse erhalten, soweit nicht bereits der Vertrag ihnen verbindlich Aufgaben zugeordnet hat, das Recht, die Regelung von Sachverhalten an sich zu ziehen. Bei der Ausübung dieses Rechtes kommt es nicht darauf an, ob dies z.B. aus Bekenntnisgründen zwingend nötig ist. So wird vermieden, dass jede Sachfrage zugleich zu einer Bekenntnisfrage gemacht werden muss. Damit aber der Grundsatz der Erfüllung von Aufgaben in der Gesamtgemeinschaft nicht leer läuft, ist für das Ansichziehen der Zuständigkeit ein breiter Konsens innerhalb des gliedkirchlichen Zusammenschlusses Voraussetzung, der von einem hohen Quorum abgesichert werden muss.

  5. Für die Verwaltungsaufgaben der EKD und der in ihr wirkenden gliedkirchlichen Zusammenschlüsse wird nur ein Kirchenamt benötigt. Dessen interne Organisation und Geschäftsverteilung sowie seine Zuordnung zu den Organen der EKD und der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse ist noch auszuarbeiten.

    Der Ad-hoc-Ausschuss hat das Verbindungsmodell in Form erster Überlegungen zu einer Änderung der Grundordnung der EKD in einer Synopse entfaltet (Anlage 2), auf die verwiesen wird.

    Die Arbeit des Ad-hoc-Ausschusses ist bei allen Unterschieden im Detail von großer Offenheit und Konstruktivität gekennzeichnet. Durch die vorgeschlagene Reform wird der Protestantismus in Deutschland insgesamt eine Stärkung erfahren. Der notwendige theologische Diskurs wird in klar strukturierter Form aufeinander bezogen, miteinander geführt und schärft das Profil des jeweiligen Bekenntnisses. Für die evangelischen Kirchenglieder und gegenüber Staat und Öffentlichkeit werden die Strukturen klarer und eindeutiger. Der Ausschuss meint, dass das vorgelegte Modell die in die Reform gesetzten Erwartungen und Bedingungen erfüllen und damit eine beratungsfähige Grundlage für die weitere Debatte in den Gliedkirchen der EKD und ihren Zusammenschlüssen bilden kann. Der Ausschuss ist bereit, die noch offenen Punkte zu bearbeiten und erbittet hierzu eine Äußerung der Kirchenkonferenz.