Mut aus "tiefem Glauben"

Elisabeth Goes war eine "stille Heldin" im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

27. Januar 2016

Screenshot webiste evangelischer-widerstand.de
Die virtuelle Ausstellung "Widerstand?! Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus“ zeigt Dokumente aus dem Leben von Elisabeth Goes. (Foto: Screenshot evangelischer-widerstand.de)

Der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz wurde 1996 auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog in der Bundesrepublik Deutschland zum offiziellen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt. Die Erinnerung an die Opfer ist verbunden mit dem Wissen, dass es nur sehr wenige Menschen gab, die den Verfolgten beistanden und sie vor der Verfolgung und Ermordung zu schützen versuchten.

Diese Nothelferinnen und Nothelfer versorgten untergetauchte Jüdinnen und Juden auf ihre Flucht vor der Gestapo mit Unterkünften und Lebensmitteln und gaben oft vor, es handle sich um Verwandte oder Ausgebombte. Einige dieser Menschen zahlten für ihre Menschlichkeit und christliche Nächstenliebe einen hohen Preis. An die "stillen Heldinnen und Helden“ wird erst seit einigen Jahren erinnert. Lange Jahre schwiegen sie selbst und wurden sie totgeschwiegen, machte doch ihr Handeln das Versagen der Vielen deutlich.

Die Württembergische Pfarrhauskette rettete jüdische Verfolgte

Zu diesen stillen Heldinnen zählt Elisabeth Goes (1911-2007). Mit ihrem Mann, dem Pfarrer und Schriftsteller Albrecht Goes, lebte sie seit 1938 im Pfarrhaus von Gebersheim, einem kleinen schwäbischen Dorf. Während ihr Mann im Krieg war, übernahm die gelernte Kindergärtnerin und Mutter von drei kleinen Töchtern viele Aufgaben im Pfarramt. Sie hielt die Kinderkirche und den Mädchenkreis, läutete die Glocke, spielte die Orgel. Im Sommer 1944 wurde sie zu einem Glied der sogenannten Württembergischen Pfarrhauskette, die insgesamt mindestens 13 jüdischen Verfolgten beim Überleben half.

Angefragt von Pfarrer Otto Mörike erklärte sich Elisabeth Goes dazu bereit, das jüdische Ehepaar Max und Ines Krakauer bei sich im Pfarrhaus unterzubringen. Die Verfolgten blieben bei ihr vom 22. August bis 20. September, dann brachte sie die junge Pfarrfrau zum nächsten Versteck. Max Krakauer schrieb in seinem Buch "Lichter im Dunkel“ über "das heldenhafte Verhalten“ von Goes: "ihr tiefer Glaube“ habe ihr den Mut gegeben, "das ungeheure Risiko, uns zu beherbergen, auf sich zu nehmen und damit den eingezogenen Mann, die Kinder und sich selbst zu gefährden.“ (S. 125f.)

Als "Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet

Nach den Krakauers beherbergte Elisabeth Goes 1945 noch zwei weitere Jüdinnen. Im Jahr 1953 schrieb ihr Mann Albrecht Goes die Erzählung "Das Brandopfer“, in der er die Judenverfolgung thematisiert. Elisabeth Goes wurde 1995 von der Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Titel "Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.

Wenn Sie mehr über Elisabeth und Albrecht Goes erfahren möchten, können Sie dies in der virtuellen Ausstellung "Widerstand?! Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus“ unter www.evangelischer-widerstand.de. Die Präsentation der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte stellt mit Quellen und Begleittexten das ganze Spektrum widerständigen Verhaltens in seinen Konturen und Ambivalenzen dar. Handlungsspielräume und Handlungsalternativen werden erkennbar gemacht, der zeithistorische Zusammenhang sowie das gegenläufige Verhalten der Mehrheit aufgezeigt. So wird auch in der Ausstellung deutlich: Christlich motiviertes widerständiges Verhalten in der NS-Zeit war die Ausnahme im weiten Feld christlicher und kirchlicher Handlungsmöglichkeiten.

Claudia Lepp


Prof. Dr. Claudia Lepp ist Leiterin der Forschungsstelle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte.