Serbien – selbst eine Nation von Flüchtlingen

Henrich Bedford-Strohm, der EKD-Ratsvorsitzende und Cornelia Füllkrug-Weitzel besuchen Flüchtlingsprojekte – am Sonntag in Ungarn und am Montag in Serbien

15. September 2015

Hussein kommt aus Aleppo und berichtet Cornelia Füllkrug-Weitzel und Heinrich Bedford-Strohm von seiner Flucht
Hussein kommt aus Aleppo und berichtet Cornelia Füllkrug-Weitzel und Heinrich Bedford-Strohm von seiner Flucht. (Foto: Christoph Püschner/Diakonie Katastrophenhilfe)

Der Umgang mit den Flüchtlingen in Serbien unterscheidet sich von dem in Ungarn im kleinen wie im großen. Rund um den Belgrader Busbahnhof sind überall Kreidepfeile auf dem Boden – blau für Wasser, rot für Kleider/ Essen, beschriftet in Arabisch und Englisch – Wegweiser für die, die nicht wissen wohin. Es stehen Stühle und Bänke für sie bereit, an Warteplätze sind Schattennetze gespannt – in Ungarn war solches Entgegenkommen nicht zu sehen. In den Parks rund um den Busbahnhof herrscht eine gelassene Atmosphäre. Es gibt keine Müllhaufen, keinen Gestank, weil Toiletten fehlen, keine vergammelten Lebensmittel in aufgeweichten Pappkartons.

Kein Vergleich mit den Verhältnissen in Ungarn

Für die Flüchtlinge in Belgrad ist gesorgt, es gibt Tankwagen mit Wasser, Duschen, Müllabfuhr. „Die Serben nehmen den humanitären Auftrag aus der Genfer Flüchtlingskonvention wirklich ernst im Gegensatz zu Ungarn“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe. „Im Lager Presevo im Süden gibt es sogar eine Medizin-Station, die 24 Stunden besetzt ist und die unbürokratisch hilft.“ Gestern sei dort ein Flüchtling aus Syrien mit Schusswunden angekommen und umgehend ins Krankenhaus gebracht worden. Keine Selbstverständlichkeit im Europa der Mindeststandards.

Die Hilfe im bitterarmen Serbien funktioniert gut, weil Regierung und Behörden mit den zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Philanthropy , der Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe, eng zusammen arbeiten und sich gut koordinieren. Von Anfang an hat sich die Regierung vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, dem  UNHCR, begleiten lassen und es gibt ein eignes Regierungs-Kommissariat für Flüchtlingsfragen.

In Belgrad erhalten die Mitarbeiter des Kulturzentrum Mixer weiter ihr Gehalt, obwohl in dem Zentrum nahe des Busbahnhofs schon längst keine Konzerte oder Theater-Aufführungen mehr stattfinden. Das Zentrum ist Anlaufstelle für Hilfe jeder Art, gut sortiert und organisiert – von der Essensausgabe bis zu den Plänen für einen Still-Raum für Mütter und Babys auf der Flucht.

Die Würde der Menschen wahren – auch mit Duschen und Toiletten

Trotzdem sind die Helferinnen und Helfer auch hier am Rande ihrer Kräfte. „Wir machen mit 60 Leuten einen 24-Stunden-Sieben-Tage-Dienst für Tausende Menschen, die hier ankommen. Das hält man nur durch, wenn man an die Sache glaubt“, sagt Marija Vransevic von Philanthropy. Gerade hat die Organisation im Lager Presevo neue Dusch- und Toilettencontainer aufgestellt, damit die Menschen auf der Durchreise die Chance haben, sich wenigstens einmal den Schmutz der Straße abzuspülen. Damit sie ihre Würde wahren können.

„Wir sind selbst ein Nation von Flüchtlingen, daher diese große Solidarität“, erklärt Dragan Makojevic, der Direktor von Philantrophy. Sein Sohn sei der erste in einer langen Reihe von Generationen, der nicht vertrieben wurde oder flüchten musste. Der Bürgerkrieg liegt noch nicht lange zurück und so hat Serbien immer auch Erfahrung und Kompetenz in der Versorgung von Menschen auf der Flucht gehalten.

Das kommt Menschen wie Hussein aus Afghanistan zugute, der sich lange mit Heinrich Bedford-Strohm, dem EKD-Ratsvorsitzenden und Cornelia Füllkrug-Weitzel unterhalten hat. Die Neuigkeiten über die Schließung des Grenzzauns in Ungarn und die Grenzkontrollen in Deutschland lassen ihn fast kalt. Dann gehe er eben woanders hin, vielleicht Norwegen. (Bild vorhanden)  Heinrich Bedford-Strohm sieht die deutschen Grenzkontrollen kritisch. Sie seien nur als vorübergehende Notmaßnahme zu rechtfertigen. Sie dürften lediglich als Atempause in einer Krisensituation gesehen werden und „nie und nimmer dazu führen, dass sich Deutschland seiner Pflicht entzieht, mitzuhelfen Flüchtlinge würdig zu empfangen". So wie es Serbien im Moment tut.

Svenja Koch (Brot für die Welt)