Organspende - „Was würde Jesus dazu sagen?“

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

08. Oktober 2009


Es ist Sonntag. Berlin hat das graue Alltagsgewand abgestreift. Kakelbunt gekleidete Radsportler zischen über den Asphalt und bewegen sich auf das Brandenburger Tor zu. Sie treten in die Pedalen; die Räder schnurren. Die Freude an der Bewegung ist ihnen abzuspüren. Am Brandenburger Tor hält einer der Radfahrer an. Ein Kamerateam begrüßt ihn. Der Mann war Dialysepatient, bevor er eine neue Niere erhielt. Nach seiner Operation erlebte er, wie ein Grauschleier von seinem Leben genommen wurde. Er konnte neu beginnen. Das Radfahren ist für ihn noch immer ein königlicher Genuss.

Wer Dialysepatienten kennt, denen durch eine neue Niere geholfen werden kann, wer Menschen gesehen hat, die auf ein neues Herz warten, weiß: Eine Organtransplantation kann Leben retten und in aller eigenen Not anderen helfen.

Auch ich trage einen Organspendeausweis bei mir. Wenn mir etwas zustößt, kann vielleicht einem andern Menschen geholfen werden. Ich bin überzeugt: Organspende ist besser als Organhandel – und erst recht als das Klonen eines Menschen.

Die Voraussetzungen einer Organspende müssen allerdings klar sein: Die Gesundheit eines anderen Menschen hängt davon ab; und der Entnahme wird aus freien Stücken zugestimmt. Für die kleine Joyce hat die Mutter die Entscheidung getroffen. Das war eine der schwersten Entscheidungen ihres Lebens. Woran soll man sich in einer solchen Situation orientieren?

Jesus hat auf die Frage nach dem höchsten Gebot geantwortet: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Menschen, die um der Liebe willen zur Organspende bereit sind, stehen mit ihrem Leben – auch an seiner Grenze – für andere ein.

In unserem Land werden natürlich auch diejenigen auf die Warteliste für eine Transplantation gesetzt, die sich selbst nicht zu einer Organspende entschließen können.

Am vergangenen Sonntag war der Welttag und zugleich der Europäische Tag der Organspende. Erstmals fand er auch in Deutschland statt. Das ist ein guter Anstoß dazu, über die Frage der Organspende nachzudenken. Auch wer sich nicht dazu entschließt, ist dadurch nicht ein liebloser Mensch. Aber über praktizierte Nächstenliebe nachdenken sollte jede und jeder. Zur Organspende bereit zu sein, ist eine Möglichkeit, Nächstenliebe zu üben.

Die Radler, die an der Radtour transplantierter Sportler durch Berlin teilgenommen haben, sind Botschafter des Lebens und der Nächstenliebe. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.