Wahlaufruf

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

24. September 2009


„Jammern hilft nicht!“ Dieser Slogan hat es unter Jugendlichen bereits auf T-Shirts geschafft. Im Blick auf die Bundestagswahl könnte man ihn auch abwandeln: „Jammern gilt nicht!“ Wer sich abwendet, lässt den Dingen ihren Lauf. Wer nicht wählt, stärkt die Extreme. Wer sich nicht beteiligt, kann sich hinterher nicht beschweren.

„Demokratie braucht Tugenden.“ Auf diesen Satz haben die Kirchen vor einigen Jahren die Einsicht gebracht, dass unser demokratisches Gemeinwesen von der aktiven Beteiligung seiner Bürgerinnen und Bürger lebt. Wir haben Recht, wenn wir von den Politikern eine verantwortliche Politik, von den Interessenvertretern einen Blick für das Ganze und von den Journalisten die Bereitschaft zur Wahrheit verlangen. Aber wir können als Bürgerinnen und Bürger nicht nur auf andere schauen. Wir müssen uns auch selbst beteiligen.

Die Wahl ist, genau betrachtet, einer der einfachsten Anlässe dafür. Es gibt anstrengendere Formen von Bürgerengagement. Manchmal kann Zivilcourage sogar lebensgefährlich werden, wie das ergreifende Beispiel von Dominik Brunner zeigt, der durch seinen mutigen Einsatz gegen die Gewalt Jugendlicher in München sein Leben verlor.

Jetzt geht es nur darum, durch das Kreuz auf dem Wahlschein deutlich zu machen: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. In Brandenburg gleich doppelt: Die Bundestagswahl ist mit der Landtagswahl verbunden. Wer nicht über die Zusammensetzung seines Landtags mitbestimmt hat, soll auch nicht über schlechte Schulen oder Straßen schimpfen. Und wer sich nicht an der Bundestagswahl beteiligt, braucht sich auch nicht über die Steuerpolitik oder die Rentenentwicklung zu beschweren.

Mit jeder Wahl entscheiden wir nicht nur über das eigene Schicksal, sondern ebenso über die Zukunft der nächsten Generation. Ich frage deshalb bei meiner Wahlentscheidung nicht nur nach kurzfristigen Versprechen, sondern nach der Verantwortung über den Tag hinaus. Welche Lasten übergeben wir unseren Kindern und Enkeln? Und welche Chancen eröffnen wir ihnen? Der Klimawandel, eine nachhaltige Gestaltung der Marktwirtschaft, die Staatsverschuldung, der Mut zu Kindern und eine weitsichtige Bildungspolitik sind für mich deshalb zu Schlüsselthemen geworden. Da muss ich bei jeder Partei auch Abstriche machen, ich weiß.

Aber heraushalten kann ich mich nicht.  Bevor ich von der Wahlurne wegbleibe, muss ich mir wenigstens die Frage stellen: „Was passiert, wenn nichts passiert?“ Oder geht es mir wirklich nur darum, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen? Dann sollte ich mir den kleinen Satz Jesu in Erinnerung rufen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Wahlenthaltung aus purem Egoismus geht wirklich zu weit. Deshalb: „Jammern gilt nicht!“