Afghanistan

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

10. September 2009


Berlin hat einen neuen Ort der Erinnerung und des Gedenkens. In Gegenwart von Bundespräsident Köhler wurde am Dienstag dieser Woche im Bendlerblock das Ehrenmal der Bundeswehr eingeweiht. Es erinnert an die bislang 3.100 Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Angehörigen, die seit Gründung der Bundeswehr im Rahmen ihres Einsatzes gestorben sind. Zu ihnen gehören die 81 Bundeswehrangehörigen, die bisher bei der Auftragserfüllung im Ausland starben. „Den Toten unserer Bundeswehr für Frieden, Recht und Freiheit“ – so heißt die Widmungszeile des Ehrenmals.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Einweihung werden nicht nur das neue Ehrenmal vor Augen gehabt haben. Sie dachten zugleich auch an die beiden von den Taliban gekaperten Tanklastzüge, die vermutlich als rollende Bomben für Selbstmordattentate eingesetzt werden sollten. Der zuständige Kommandeur prüfte die Lage und forderte Luftunterstützung an. Kurz darauf wurde der Angriff geflogen. Im Morgengrauen zeigte sich, dass es eine erschreckend hohe Zahl von Toten gab, unter ihnen wohl auch Zivilisten.

Die erhebliche Gefahr für die deutschen Soldaten konnte abgewendet werden. Den Taliban gelang es nicht, mit Hilfe der entführten Tanklaster den angestrebten größtmöglichen Schaden etwa in einem Bundeswehrlager anzurichten. Doch die Folgen dieser Gefahrenabwendung sind katastrophal. Für die Afghanen, die sich zur falschen Zeit in der Nähe der  festgefahren Tanklaster auf der Fluss-Sandbank befanden, schnappte die Todesfalle ebenso zu wie für die Taliban. Zu Recht ist von einem traurigen und tragischen Tag für Afghanistan die Rede.

Seit 2002 sind deutsche Soldaten am Hindukusch. Sie sollen Voraussetzungen schaffen, unter denen das geschundene Land wieder auf die Füße kommen kann. Für Frieden, Recht und Freiheit sollen sie sich einsetzen. Nun müssen sie erleben, dass ihre Friedensmission viele Menschen in den Tod reißt. Eine Tragödie, die der Apostel Paulus so beschrieben hat: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Große Hoffnungen haben sich in einen Scherbenhaufen verwandelt. Es ist Zeit, sich der bitteren Einsicht zu stellen: Eine Friedenspolitik hat nur dann eine Chance, wenn sie die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung beachtet.

Den Opfern und ihren Angehörigen gilt unsere aufrichtige Anteilnahme. Den Soldaten der Bundeswehr und ihren Familien gilt unser Respekt für einen Dienst, der sie selbst mit großem Zweifel erfüllt. Sie haben das Recht auf eine klare Auskunft über den Sinn ihres Einsatzes. Sie brauchen verbindliche Aussagen über das Ziel, dem sie dienen. Auch über die zeitliche Grenze dieses Einsatzes muss gesprochen werden.