Verfolgte Christen

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

20. August 2009


Seit mehr als neun Wochen ist im Jemen eine fünfköpfige Familie aus Deutschland verschwunden. Der Vater, von Beruf Techniker, seine Ehefrau und die drei kleinen Kinder. Ob sie noch leben, ist unbekannt. Zugleich mit ihnen wurden drei junge Frauen verschleppt, die kurz danach tot aufgefunden wurden. Zwei von ihnen gehörten zu einer christlichen Hilfsorganisation und machten ein Praktikum in einem Krankenhaus. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten versucht, zu missionieren. Auch im Blick auf die verschwundene Familie muss man fürchten, dass der christliche Glaube ihr zum Verhängnis wurde.

Ich finde mich nicht damit ab, dass ein christliches Bekenntnis in islamischen Ländern zu einer Gefahr für Leib und Leben wird. Auch in Saudi-Arabien ist nicht nur die öffentliche, sondern auch die private Ausübung der christlichen Religion verboten. In Pakistan werden religiöse Minderheiten strafrechtlich verfolgt oder willkürlich inhaftiert. In Ägypten wird ein Abfall vom muslimischen Glauben mit der Todesstrafe bedroht. Christen ist in der islamischen Welt ein Leben in Freiheit nicht möglich. Die Unterdrückung hat System.

Mehr als vier Millionen Iraker sind auf der Flucht. Mehr als drei Viertel der Christen im Irak haben das Land verlassen. Vor gezielter Einschüchterung, Bedrohung und Ermordung sind sie in die Nachbarländer Syrien und Jordanien geflohen. Mindestens 65.000 irakische Flüchtlinge in Jordanien und Syrien müssen dauerhaft in anderen Ländern angesiedelt werden.  Man sollte hoffen, dass der Islam selbst  einer solchen Christenverfolgung Einhalt gebietet. Auch der christliche Glaube verträgt sich nicht mit einer Verfolgung Ungläubiger.  Aber es hat lange gedauert, bis das überall eingesehen wurde.

In der Bergpredigt Jesu heißt es: „Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet, die euch verfluchen, bittet für die, die euch beleidigen.“ Das klingt wie eine Zumutung. Ausgerechnet denjenigen, die einen Menschen verfolgen, soll nicht Einhalt geboten werden. Doch gemeint ist etwas anderes: Böses soll nicht mit gleicher Tat vergolten werden. Ihm soll vielmehr Gutes entgegengesetzt werden. Der Geschundene soll sich nicht erniedrigen lassen. Er soll aktiv den Teufelskreis von Gewalt und Hass durchbrechen. Wahre Stärke besteht darin, andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung zu suchen. Solche Lösungen sind gefragt.

Derzeit vollzieht sich eine Vertreibung des Christentums aus Vorderasien, dort wo die uralten christlichen Kirchen entstanden und mehr als tausend Jahre Bestand hatten. Ende letzten Jahres hat sich Deutschland deshalb dazu entschlossen, 2.500 irakische Flüchtlinge aufzunehmen. Aber noch viel mehr muss geschehen. Der Skandal der Christenverfolgung muss beim Namen genannt werden. Und: Er muss ein Ende haben!