Mord an Marwa al Scharbini

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

23. Juli 2009


Der Schrecken sitzt noch immer tief. Eine junge Frau geht vor Gericht, um für ihr Recht einzutreten. Ein junger Mann hatte sie beleidigt, weil sie ihn gebeten hatte, für ihren kleinen Sohn die Schaukel des Spielplatzes freizugeben. Im Gerichtssaal springt er auf und ersticht die schwangere Frau. Den Ehemann verletzt er schwer. Auf dem Spielplatz hatte der Täter Marwa al Scharbini beschimpft. „Terroristin“ und „Schlampe“ hatte er sie genannt. Die junge Ägypterin trug ein Kopftuch. Das genügte dem jungen Mann russlanddeutscher Herkunft schon. Die junge Frau war in Dresden in einer Apotheke tätig; ihr Mann arbeitete als Wissenschaftler. Der Täter, ein Spätaussiedler aus dem Ural, lebt von Hartz IV.

Ich bin erschüttert über diese Mordtat und versichere den Hinterbliebenen mein aufrichtiges Mitgefühl. Soziale Gegensätze, Fremdenhass und Religionskonflikte verbinden sich in solchen Vorgängen auf grausame Weise. Aber aus welchen  Motiven die Tat auch immer geschah, jeder Angriff auf ein menschliches Leben ist in gleicher Weise zu verurteilen: Das Leben und die Würde des Menschen sind unantastbar – unabhängig davon, woher er kommt und wohin er geht, woran er glaubt und worauf er hofft. In der Bibel heißt es: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“

Es dauerte geraume Zeit, bis die Tragweite dieses Mords in Politik und Öffentlichkeit verstanden wurde. Inzwischen nutzen Islamisten in Ägypten und im Iran den schrecklichen Vorgang, um ihrerseits Vorurteile zu schüren. Demonstriert wird gegen Deutschland, nicht für die Unantastbarkeit des Lebens. Gegen solche Instrumentalisierung muss man sich zur Wehr setzen. Doch keine politische Vorsicht darf uns daran hindern, menschliche Erschütterung und Mitgefühl zu zeigen.

Wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen leben, geht uns alle an. Wechselseitige Klischees sind nach wie vor verbreitet, aller Aufklärung und allen vermeintlich wissenschaftlichen Weltanschauungen zum Trotz. Menschen unterschiedlicher Herkunft bringen ihre Küche, ihre Religion und ihre Gebräuche ins Land. Zu einem Klima der Aufgeschlossenheit und des Interesses füreinander können alle beitragen. Durch Rücksichtnahme und Sprachkenntnis beispielsweise. Wir alle können fremdenfeindlichen Äußerungen Einhalt gebieten – auf dem Spielplatz oder anderswo. Wohin sie führen können, hat der Mord von Dresden auf schreckliche Weise gezeigt.