Rede zur Einbringung des Antrages der EKD zur grundlegenden Verfassungsreform der Konferenz Europäischer Kirchen

Martin Schindehütte

17. Juli 2009


Liebe Schwestern und Brüder,

ich danke herzlich dafür, dass ich heute Abend den Antrag der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur grundlegenden Neufassung der rechtlichen Grundlagen der Konferenz Europäischer Kirchen in diese Vollversammlung einbringen darf.

Wir in der EKD sind dankbar dafür, dass die KEK seit ihrer Gründung für Frieden und Versöhnung im geteilten Europa während der Zeit des Eisernen Vorhangs eingetreten ist (oder: gearbeitet hat). Brücken bauen zwischen Ost und West, Nord und Süd, dies ist auch heute eine wichtige Funktion, für die die KEK gestärkt werden muss.

Wir freuen uns, wie nach Basel und Graz  Gemeinschaft  der Kirchen in Europa bewahrt und fortentwickelt wurde. Die Charta Oecumenica wurde  eine Urkunde gemeinsamer Verpflichtung zum Dialog und zur Zusammenarbeit. Sie soll auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens eine ökumenische Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit fördern  und  Verbindlichkeit  schaffen.  Sie hat keinen lehramtlich-dogmatischen oder kirchenrechtlich-gesetzlichen Charakter. Sie lebt vielmehr davon, dass die europäischen Kirchen und ökumenischen Organisationen ihr folgen und sich selbst verpflichten. Diese können für ihren Bereich auf der Grundlage dieses  Basistextes eigene Zusätze und gemeinsame Perspektiven formulieren, die sich konkret mit ihren besonderen Herausforderungen und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen befassen. So verstehen wir auch unseren heutigen Antrag: Als einen Versuch, die Charta Oecumenica  als eine kostbare und unverzichtbare Grundlage für die Gestaltung ökumenischer Beziehungen in Europa und  für die Zukunft der KEK  als elementaren Bezugsrahmen  zu verstehen und lebendig werden zu lassen.  Wir hoffen, dass wir dabei helfen können, die Aufgaben der KEK für die Zukunft klar zu benennen und sicherzustellen.

Seit der Überwindung der Teilung Europas machen sich bei der KEK aber auch immer deutlicher zentrifugale Kräfte und auseinanderdriftende theologische und an den Kirchenfamilien orientierte Interessen und Akzentsetzungen bemerkbar. Offensichtlich hat sich die KEK in ihrer Aufgabe und Struktur noch nicht hinreichend auf die tiefgreifend veränderte Lage in Europa eingestellt. Unser Anliegen ist es, in der Europäischen Union und in ganz Europa, das Zeugnis der Kirchen in der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung wirkungsvoll hörbar zu machen. Zugleich müssen wir den theologischen und ethischen Diskurs vertiefen und den Raum erweitern für gemeinsame spirituelle Erfahrungen.

Der Antrag der EKD hat eine wichtige Vorgeschichte. Für diese Vollversammlung wurde ja unter dem Datum des 19. Januar ein Papier versandt, das sich mit Vorschlägen zur Revision der Rechtstexte der KEK befasst. Diese Vorschläge wurden soeben vom Generalsekretär vorgestellt und von der Vollversammlung beschlossen. Wir halten allerdings die dortigen Vorschläge für nicht weitgehend genug und für zu langfristig angelegt. Unsere Analyse der Texte hat ergeben, dass die drei vorhandenen Rechtstexte, Verfassung, Ausführungsbestimmungen und Geschäftsordnung inkongruent und unübersichtlich sind und viele Fragen von Struktur und Zusammenarbeit offen lassen. Sie sollten daher sinnvoll ineinander geführt werden. Es gibt also schon Gründe der Rechtsklarheit, die zu dieser grundlegenden Revision zwingen.

Natürlich haben wir auch wahrgenommen, dass es in den letzten Jahren bereits Bemühungen gegeben hat, die KEK in ihren Organisations- und Entscheidungsstrukturen weiter zu entwickeln. Jedoch zeigt sich bis heute, wie sehr Mitarbeitende und Personen in Leitungsverantwortung sowie die Verantwortlichen in den Leitungsgremien immer wieder unter unklaren Mandaten und Strukturen leiden und wie viele Kräfte von Reibungsverlusten absorbiert werden. Um ihrer aller Willen und um der Zukunft der KEK willen sagen wir: Daran muss sich etwas ändern.

Besonders wichtig jedoch sind die inhaltlichen Herausforderungen, für die die KEK unbedingt eine weitaus größere Klarheit über ihre Aufgaben, ihre Prioritäten und Mandate und über die Formen der Zusammenarbeit ihrer Mitgliedskirchen braucht. Die EKD hat dazu in ihren Antragsbrief und ihrer Stellungnahme einiges ausgeführt. Unsere Vorschläge sind sehr weitgehend. Das ist wahr. Dennoch sollen nur als Material verstanden werden, das mit vielen anderen Überlegungen in der Arbeitsgruppe bedacht werden soll.

Mit großer Dankbarkeit und Freude haben wir wahrgenommen, dass unsere Überlegungen auf große Resonanz gestoßen sind. Nicht nur bei einem Vorbereitungstreffen protestantischer Kirchen in Wien im April dieses Jahres wurde das deutlich. Schon vorher wiesen viele Stellungnahmen und Kommentare von Mitgliedskirchen auf der Web-Site zu dieser Vollversammlung in die Richtung einer grundlegenden Neuorientierung der KEK. Eine ganze Reihe von Mitgliedskirchen der KEK haben uns schon im Vorfeld wissen lassen, wie sehr sie unseren Antrag unterstützen. Sie haben wichtige Anregungen gegeben, die in den nun vorzustellenden Antrag eingeflossen sind.

Auf Grund der intensiven Arbeit der letzten Wochen in  Diskussionen mit Mitgliedskirchen, mit dem Generalsekretär und den Beratern in rechtlichen Fragen, bringe ich nun folgenden modifizierten Antrag in die Vollversammlung ein. Eben weil so viele Anregungen aufgenommen worden sind, unterscheidet sich von dem Antrag von dem, den wir am 28. Mai gestellt haben.

Da die Texte in Englisch erarbeitet worden sind, wechsele ich für den Wortlaut des Antrages ins Englische:

Motion

The Assembly establishes, on the proposal of the Nominations Committee, a Working Group to carry out a fundamental revision of the legal basis of CEC and issues a mandate regulating the size, composition and procedural framework. The new legal basis is to be adopted at a special CEC meeting during the year 2012. The present legal basis, as amended by this Assembly, will therefore only be in force until a fundamentally new structure has been adopted.

Zur Umsetzung dieses Antrages ist in den letzten Wochen gemeinsam von Juristen und Kirchenvertretern Text erarbeitet worden, der das Mandat für die Überarbeitung der Rechtsgrundlagen genauer beschreibt. Diesem Text stimmt die EKD ausdrücklich zu und macht ihn sich zueigen. Vorgschlagen wird folgender Auftrag der Vollversammlung an die spezielle Arbeitsgruppe:

Mandate for the Working Group

1. The Working Group set up by this Assembly to review the statutory framework of CEC shall examine the basic legal texts (currently Constitution, Bye-Laws and the Standing Orders of the Assembly) of CEC and draft proposals for a new legal basis, taking into account as starting points for its deliberations:

- the motion of the Evangelische Kirche in Deutschland (EKD),

- the policy reference report of the Central Committee and the Secretary General,

- the policy decisions of this Assembly,

- the explanation of the EKD motion and statements of member churches in the consultation preceding this Assembly,

- additional proposals submitted to it by any member church before the end of this year,

- comments by the Central Committee,

- comments of the Commissions of CEC and of relevant partners (e.g. associated organisations) which shall be consulted as part of the process.
It shall make sure that the revision takes account of the need for a concise and coherent body of legal provisions that is easily manageable.

2. The working group is set up as a special task force. As its work will be conducted between Assemblies, it shall not be a committee according to Nr. 8.12 SO, but be constituted as a body of experts representative of the of the denominational families and of majority and minority churches within CEC. It shall keep the Central Committee informed about the progress and contents of its work.

3. The Working Group shall have thirteen members. Eight members shall be elected by the Assembly on the proposal of the Nominations Committee, which shall ensure that the voting list consists of experts with an appropriate professional background. The other members shall be co-opted by the Group. All member churches are invited to name potential members from their ranks for election at the Assembly or within three months of its closure for co-option. Election and co-optation shall each respect the balance of denominations and majority and minority churches within CEC. Its members shall be in close contact to their respective church so as to create a basis for a wider consensus.

4. The Working Group shall be convened within five months of the closure of this Assembly. It shall have a Chairman and a Vice-Chairman who are to be elected at the first meeting. The Group shall constitute itself and adopt statutes regulating more detailed procedures. The General Secretariat shall provide the logistic support asked for by the presidium of the Group.

5. With a view to achieving the widest possible measure of agreement between the member churches, the Working Group shall be empowered to seek the feedback of member churches and the other bodies listed in 2. on any issue it wishes to consult them on.

6. The Working Group shall submit its draft revision of the legal texts to the Central Committee for examination no later than nine months before a Constitutional Assembly to be held in summer 2012. The Central Committee shall then transmit the draft revision with its comments to all member churches no later than six months before the Constitutional Assembly.

7. The Working Group shall be empowered to revise its draft proposal in the last two months prior to the Constitutional Assembly, but amendments shall be limited to points raised by the Central Committee or member churches in response to the draft originally transmitted.

8. The Working Group shall be empowered to draft written explanations accompanying the proposal. It shall also present its proposals and explanations to the Constitutional Assembly and advice it on the feasibility and/or impact on the entire body of revised texts of any amendment to its proposal submitted at that Assembly.

Der Wortlaut dieses Mandates macht sehr deutlich, dass uns an einem partizipativen Prozess liegt, der zu ein breiten Basis von Zustimmung führt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch zu einer Frage Stellung nehmen, die die Integration der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa betrifft. Mit Recht freuen wir uns darüber, dass die Arbeit dieser Kommission nun durch einen Vertrag viel enger und definierter an die KEK gebunden werden soll. Der Vertrag ist auf der Grundlage der gegenwärtigen rechtlichen Grundlagen erarbeitet worden. Wenn unser Antrag auf Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur grundlegenden Revision der Rechtsgrundlagen eingesetzt wird, ändert sich die Geschäftsgrundlage für diesen Vertrag nahezu vollständig. Von Seiten der EKD hätten wir volles Verständnis dafür, wenn die Kommission unter diesen grundlegend veränderten Bedingungen neu darüber nachdenkt, wie die nicht in Frage stehende Prozess der Integration nun unter diesen Bedingungen fortgeführt werden soll. Wir freuen uns, dass es klare Signale gibt, dass KKME sich intensiv am Prozess der Erarbeitung von Aufgabe und Mandat der KEK auf neuer Rechtsgrundlagen beteiligen will. KKME nimmt damit teil an einem Prozess, der ja von allen Beteiligten Beiträge zu einer Neudefinition ihrer Arbeit in der KEK erbittet und erhofft.

Wir freuen uns auf die Diskussion während der Vollversammlung und sind gespannt, was Sie aus Ihrem Engagement für die KEK und mit Ihren Perspektiven beizutragen haben. Und natürlich hoffen wir sehr, dass Sie unserem Antrag zugestimmen.

Für unser Engagement als EKD in der KEK und in den Arbeitsfeldern, die derzeit von den Kommissionen wahrgenommen werden, hängt sehr viel davon ab, ob mit einem positiven Beschluss der Vollversammlung eine hinreichend klare Zukunftsperspektive für die KEK eröffnet werden kann.

Die Losung für diese Vollversammlung „Called to One Hope in Christ“ richtet unsere Schritte nach vorn und bestärkt uns in unserer Gemeinschaft in Jesus Christus. Dass wir um unseres christlichen Zeugnisses in Europa willen, neue Wege finden und begehen, darauf hoffen wir und dafür beten wir.

Martin Schindehütte
Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)