Sonntagsschutz

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

25. Juni 2009


Am Dienstag war ich beim Gericht. Nicht in eigener Sache. Das Thema geht uns alle an. Wie viel ist uns der Sonntag wert?

Zehn verkaufsoffene Sonntage hält das Land Berlin für nötig. Darunter sind alle Adventssonntage. Dafür gibt es in keinem anderen Bundesland ein Beispiel. In unserer Verfassung steht jedoch, dass der Sonntag als ein „Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ geschützt bleibt. Kein Zufall, dass das ein bisschen altmodisch klingt. Der arbeitsfreie Sonntag ist eine alte Errungenschaft. Seit Menschengedenken wird er geachtet. Wollen wir das innerhalb von wenigen Jahren aufs Spiel setzen?

Die Verfassung sagt übrigens nichts vom halben Sonntag. Sie meint den ganzen Tag. Für diejenigen, die im Handel beschäftigt sind, bleibt es übrigens auch nicht dabei. Wer am Sonntag von 13 bis 18 Uhr hinter der Theke steht, ist dafür in aller Regel neun Stunden von zu Hause weg. Von Sonntag keine Spur mehr. Vor den Richtern des Bundesverfassungsgerichts wurde das am Dienstag eindrucksvoll beschrieben. Mitsamt den Folgen für Gesundheit und Familie.

Natürlich gibt es Aufgaben, die am Sonntag unvermeidlich sind. Es gibt Arbeiten, die wegen des Sonntags, und andere, die trotz des Sonntags notwendig sind. Es gibt auch Sonntage, an denen die Ladenöffnung ausnahmsweise richtig ist. Auf vier Sonntage im Jahr hatte man sich bundesweit geeinigt. Jetzt haben wir in Berlin mehr als das Doppelte. Hier ist das besonders unnötig. Denn von Montag bis Samstag können die Geschäfte 24 Stunden am Tag geöffnet sein. Dafür, Schuhe oder Kleider, Möbel oder Computer zu kaufen, reicht diese Zeit wirklich.

„Erlebnisshopping“ wird uns jetzt empfohlen, der Ausflug mit der Familie ins Kaufparadies. Merkt denn niemand, dass wir damit auch noch den letzten Winkel unserer freien Zeit dem Kommerz ausliefern? Spürt keiner, dass unsere Seele dagegen rebelliert, wenn auch noch der Sonntag um der Wirtschaft willen da ist?

Viele Menschen den Gottesdienst. Es werden nicht weniger, sondern mehr. Und das bei weitem nicht nur am Vormittag! Immer häufiger finden Gottesdienste und Gemeindefeste am Sonntagnachmittag und oder –abend statt. Gerade in der Adventszeit, in der es in Berlin gar keinen ruhigen Sonntag mehr geben soll.

Seit ihren Anfängen feiert die Christenheit den Sonntag als Tag der Auferstehung Jesu Christi. Andere Religionen zeichnen einen anderen Tag in der Woche aus. Wir achten die Religionsfreiheit von Juden und Muslimen; aber wir können uns gemeinsam auf den Sonntag als freien Tag, als Tag der Freiheit verständigen. So wie das seit Jahrhunderten der Fall ist. Der Rhythmus der Sieben-Tage-Woche hat sich tief in unser religiöses, soziales und kulturelles Leben eingegraben und ihm ein stabiles Fundament gegeben. Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist dadurch nicht beeinträchtigt.

Der Sonntag ist von großem Wert für unser gemeinsames Leben. Wir sollten das nicht erst merken, wenn es zu spät ist. Deshalb war ich am Dienstag beim Gericht.