Garnisonkirche

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

18. Juni 2009


Am 23. Juni 1968 wurde der Turm der Garnisonkirche in Potsdam gesprengt. Seit 41 Jahren klafft diese Lücke im Bild der brandenburgischen Hauptstadt. Widerstreitende Traditionen verbinden sich mit dieser Kirche. Von den Nazis wurde das Gotteshaus für den Staatsakt zur Eröffnung des Reichstags am 21. März 1933 missbraucht. Der „Tag von Potsdam“ unterwarf die preußische Tradition der nationalsozialistischen Ideologie. Mit diesem Akt wurde zugleich die parlamentarische Demokratie beerdigt. Auch die evangelische Kirche beteiligte sich an diesem traurigen Schauspiel. Doch auf der anderen Seite schärften Offiziere des berühmten Infanterieregiments 9 in eben dieser Kirche unter dem Anspruch Gottes ihr Gewissen. Einige von ihnen gehörten zum Kreis des 20. Juli 1944 und beteiligten sich an dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler.

Als Potsdams Mitte nach Kriegsende in Schutt und Asche liegt, finden sich bald Menschen, die einen Raum im Sockel des stehen gebliebenen Garnisonkirchturms wieder zu Gottesdiensten nutzen. Insbesondere junge Leute bitten Gott um Vergebung für das, was andere Völker durch deutsche Soldaten erleiden mussten. Sie beten für eine Zukunft in Frieden und Freiheit. Sie suchen Wege der Versöhnung.

Dennoch ordnet die DDR-Regierung die Sprengung des Turms an. Als Vorwand dient ihr die Erinnerung an den Tag von Potsdam. Die Wahrheit ist: Der Geist des Prager Frühlings soll nicht im Osten Deutschlands Einzug halten. Der Geist der Freiheit, der in der Kirche zu Hause ist, soll gedämpft werden. Mit einem Gottesdienst nimmt die Gemeinde Abschied von dem Turm, an dessen Zerstörung sie nichts ändern kann.

Im vergangenen Jahr wurde die Stiftung Garnisonkirche gegründet. Ihr folgt am kommenden Sonntag ein weiterer wichtiger Schritt: Ein hochrangig besetztes Kuratorium nimmt seine Arbeit auf. Es macht Mut, dass sich so viele Menschen gemeinsam mit der Stadt Potsdam, dem Land Brandenburg und der evangelischen Kirche dem Ziel verschrieben haben, die Garnisonkirche wieder zu errichten, mit dem Turm beginnend.

Nun kann gestaltet werden, was bisher nur eine Idee war. Es geht nicht nur um den Wiederaufbau des Gebäudes in seiner alten Gestalt in Potsdams historischer Mitte. Ebenso wichtig ist die Öffnung der Kirche für die Stadt. Es geht um eine offene Tür für die Bürgerinnen und Bürger, die in Potsdam wohnen oder als Gäste in die Stadt kommen. Geschichtliche Schuld soll ebenso zur Sprache kommen wie der Widerstand gegen das Unrecht. An diesem geschichtsträchtigen Ort soll eine Schule des Gewissens entstehen. Vor Gott und den Menschen wollen wir fragen, worin gesellschaftliche Verantwortung heute besteht.