Totenruhe

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

14. Mai 2009


Immer wieder habe ich Grund, auf einen Friedhof zu gehen. Ich bin gern dort. Die Zeit verstreicht langsamer. Ich höre auf die eigenen Schritte und auf den Wind in den Bäumen. Die Stimmen sind gedämpft. Die meisten Gräber sind gepflegt. Die Ruhe der Toten wird gewahrt. Hier wird eine Staude gepflanzt. Dort ein Vaterunser gesprochen.

In unserer Gesellschaft hat sich der Umgang mit dem Tod verändert. Wir erleben einen Wandel der Begräbniskultur. Manchmal wird die Bestattung zu einem Event. Ein andermal findet sie völlig sang- und klanglos statt. Das liegt nicht nur an finanziellen Fragen. Dahinter verbirgt sich eine Unsicherheit gegenüber Sterben und Tod. Viele haben Angst vor dem Tod. Und sie fürchten sich vor dem Sterben. Ist mit dem Tod alles aus? Was geschieht mit mir, wenn ich sterbe? So fragen viele.

Der christliche Glaube erkennt dem Tod keine letzte Macht zu. Denn Christus hat den Tod überwunden: „Tod, wo ist dein Sieg, Tod, wo ist dein Stachel?“ So fragt der Glaube. Damit wird die bittere Erfahrung des Todes und des menschlichen Sterbens nicht verdrängt. Wir kämpfen um das Leben und klagen über den unzeitigen Tod. Wir weinen beim Abschied und geben der Trauer Raum. Aber sie rückt in das Licht der Hoffnung. Wir achten die Würde der Toten, weil wir Hoffnung für sie haben – über den Tod hinaus.

Das zeigt sich an der Fürsorge für die Sterbenden und am Respekt für die Toten. Der Wille eines Menschen ist mit seinem Tod nicht ausgelöscht. Er hat Geltung über den Tod hinaus. Auch die Würde eines Menschen endet nicht mit seinem Tod. Wir bewahren ihm ein ehrendes Andenken. Wir bestatten ihn in Würde. Denn auch seinen Leichnam betrachten wir nicht als eine Sache. Auch mit dem Körper eines Verstorbenen verbindet sich die Würde der Person. „Leichenfledderei“ wurde deshalb zu allen Zeiten abgelehnt.

„Gebt Toten Ruhe!“ An dieses Gebot wird in Berlin derzeit aus aktuellem Anlass erinnert. Gunter von Hagens ist wieder mit seinen plastinierten Leichen in der Stadt. Neue Sensationen hat er sich ausgedacht. Auch ein Paar beim Sex ist dabei. Demnächst sollen auch Leichen gezeigt werden, die mit den Augenlidern klimpern und einzelne Gliedmaßen bewegen. Das ist geschmacklos. Aber ich sehe darin nicht nur eine Geschmacksfrage. Das Spektakel verletzt die Totenruhe. Menschen werden zu Ausstellungsobjekten herabgewürdigt.

„Gebt Toten Ruhe!“ Das ist die richtige Antwort darauf.