Die DDR – ein Unrechtsstaat?

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

26. März 2009


Vor zwanzig Jahren wurden in der damaligen DDR die Kommunalwahlen für den 7. Mai 1989 vorbereitet. Wahlunwillige wurden mit Versprechen oder Einschüchterungen zur Teilnahme gedrängt. Wahlfälschungen wurden geplant, um eine überwältigende Zustimmung der Bevölkerung vorzutäuschen.

Doch die Rechnung der DDR-Oberen ging nicht auf. Die Opposition kontrollierte die Wahl. An vielen Orten deckte sie die massive Manipulation der Wahlen auf. Angeblich stimmten 98,77 Prozent der Wählerschaft für die Blockparteien. Doch das war schlichter Wahlbetrug. Die Empörung war groß. Die SED-Regierung verlor dadurch weiter an Autorität. Auf dem Weg zur friedlichen Revolution war das ein wichtiger Schritt.

Es gibt keinen Grund, den Unrechtscharakter des DDR-Staates mit schönen Worten zu übertünchen. Der Philosoph Richard Schröder hat Recht: „Die DDR war kein Rechtsstaat.“ Unrecht war es, wenn einer im Knast saß, weil er frei seine Meinung sagte. Unrecht war es, Menschen an der Mauer ums Leben zu bringen, weil sie in die Freiheit wollten.

Trotzdem warnte der kürzlich verstorbene Berliner Altbischof Albrecht Schönherr davor, die SED-Herrschaft schlicht als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Er sagte: „Zweifellos gab es im SED-Staat viel Unrecht; vielleicht kommt noch mehr an den Tag. Aber auf einen Krieg hat er nicht hingearbeitet und millionenfachen Mord hat er nicht betrieben.“ Von dem Unrechtsstaat der Nationalsozialisten war die DDR unterschieden. Doch niemals hätte Bischof Schönherr behauptet, die DDR sei ein Rechtsstaat gewesen. Er wusste, dass es sich um eine Diktatur handelte.

Man muss nur die Geschichte kennen: In den fünfziger Jahren wurde der Religionsunterricht aus den Schulen verbannt. Mit dem Mauerbau im August 1961 wurden Familien, Dörfer und Freundschaften brutal zerschnitten. Die Bewegungsfreiheit wurde ebenso unterbunden wie die Meinungsfreiheit. Oppositionelle verschwanden für Jahre im Zuchthaus. Das Ministerium für Staatssicherheit überwachte Millionen von Menschen in schamloser Weise. Die meisten erfuhren erst später, dass ihr Scheitern in Schule, Beruf oder gar Familie durch die Stasi gesteuert war.

Wir dürfen das Unrecht, das in der DDR geschah, nicht vergessen. Das sind wir den Opfern schuldig. Erst dann ermessen wir auch den Mut derer, die im Herbst 1989 auf die Straße gingen. Sie standen gegen das Unrecht auf. Sie riskierten ihre Freiheit. Sie taten es für die Freiheit.