Angesichts des Leidens müssen wir nicht verstummen

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

19. März 2009


Ein Jugendlicher reißt 15 Menschen mit sich in einen sinnlosen Tod. Warum? Noch immer begleitet uns diese Frage. Schülerinnen und Schüler in Winnenden haben sie auf Papptafeln geschrieben: Warum? Das Unbegreifliche wird uns noch lange begleiten. Hoffentlich verdrängen wir es nicht zu schnell.

Jeder fragt sich, wie eine solche Bluttat verhindert werden kann. Die wichtigste Einsicht ist: Heranwachsende dürfen nicht allein gelassen werden. Kein 15jähriger darf so leicht an Waffen und Munition kommen! Auch nicht im Elternhaus! Schwarze Kleidung und scharfes Schießen werden in Computerspielen und Videos millionenfach vorgeführt; sie können zur Verführung werden. Jugendliche haben es heute schwer, ihren Ort und ihre Aufgabe zu finden. Wie können wir ihnen beistehen? Die Jugendzeit ist ein gefährlicher Übergang. In der abgründigen Tat eines einzelnen steht uns das erschreckend vor Augen. Hoffentlich verdrängen wir das nicht wieder.

Aber entscheidend bleibt die Frage: Warum? Wo das Böse zuschlägt, fragen wir so. Wo unsinniges Leid nach unserem Leben greift, stellen wir diese Frage. Aber alle Versuche, dem sinnlosen Geschehen einen Sinn zu geben, scheitern.

„Warum hast du mich verlassen?“ Der sterbende Jesus richtet diese Frage an Gott. Er nimmt diese Frage mit ans Kreuz. Er stellt sie für uns alle. Auch für die verzweifelten Schülerinnen und Schüler der Albertville-Realschule. Auch für die Eltern und Freunde derer, die in Winnenden starben. Und auch für alle, die jetzt fragen, an welcher Schule der nächste Amoklauf zu befürchten ist. Die Frage wird zu einem Protestschrei gegen Leid und Tod. Es ist ein Protest im Namen Gottes. Die Trauer über die Toten verlässt sich darauf, dass Gott auf der Seite der Leidenden steht.

Viele lassen sich in diese Bewegung hineinnehmen. Sie stellen sich auf die Seite der Leidenden. Die Trauer bekommt einen Ort, in bewegenden Gottesdiensten und persönlichen Gesten. Viele Helferinnen und Helfer, Notfallseelsorger, Psychologen und Lehrer leisten seit der Bluttat „erste Hilfe für die Seele“. Sie helfen durch Zuhören, Beten, Dabeisein. Sie zeigen das Wichtigste, ohne das wir gar nicht leben können: Mitgefühl, Solidarität, Mitleiden mit anderen.

Warum? Auslöschen lässt sich diese Frage nicht. Aber es gibt einen Weg, mit ihr umzugehen: Vertrauen auf Gott und persönliche Nähe.